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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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gab ein knirschendes Geräusch von sich, als es sich eng um Kodels Haut und Kleidung legte. Tauric sah, wie das widerliche Grün in seine starren Augen und den weit aufgerissenen Mund eindrang. Es erfüllte selbst die Vertiefungen und Gelenke seiner Hand, die sich verkrampfte und das Schwert fallen ließ. Kodel sank rücklings über den leblos daliegenden Coireg. Er versuchte verzweifelt mit den Händen Halt auf dem Boden, während das grüne Netz nach und nach sein ganzes Gesicht und seinen Hals bedeckte.
    Tauric wand sich in Seftals unnachgiebigem Griff und schluchzte vor Angst und Schrecken. »Lass ihn los! Bitte …«
    Seftal sah ihn an. Seine Augen glühten kurz in grünem Licht auf, dann drehte er sich wieder um. »Wenn du zuschlägst, dann mit Macht und Leidenschaft. Sieh genau hin, Junge. Das ist deine erste Lektion in Sachen Vergeltung …«
    Plötzlich ertrank Seftals Stimme in einem kurzen Gurgeln. Tauric fühlte, wie der Griff des Alten sich verstärkte, drehte sich um und schrie auf. Mit der freien Hand zerrte und kratzte Seftal vergeblich an dem Rapier, das sich durch seinen Hals gebohrt hatte. Grünes Feuer loderte in seinen Augen, und ein groteskes Pfeifen drang aus seinem Mund. Tauric versuchte, sich loszureißen, aber Seftal hielt ihn fest und benutzte ihn als Stütze. Das Gewicht des Mannes zog Tauric nach hinten, und er schlug heftig gegen die knochige Hand, deren Griff ihn allmählich erstickte. Mit der anderen Hand schlug Seftal schwach gegen das Heft des Rapiers, und sein Kopf pendelte haltlos auf seinem Hals. Dennoch hielt er Tauric eisern fest, bis sich der Fuß des Jungen in einer Wurzel verhakte. Er stürzte rücklings zu Boden und drehte sich dabei zur Seite. Seftal stieß einen schrecklichen, erstickten Schrei aus, als er auf den Boden prallte und dabei das Rapier noch tiefer in seinen Hals rammte. Aus seinen Augen und seinem Mund strömte ein giftiges, grünes Leuchten. Schließlich ließ er Taurics Hals los und fuhr mit der Hand zu seinem Gesicht, wo er zögernd ein Auge betastete, bis er einen Finger tief in die Augenhöhle stieß. Dann schienen die Flammen in einem ausgebrannten Schädel zu lodern.
    Tauric wich zurück und sah mit an, wie das magische Feuer flackerte und schließlich erlosch. Seftal erschlaffte leblos, und ein dünnes Rinnsal rann aus seinen Augen und seinem Mund. Kodel schwankte über die Lichtung, bis er vor der Leiche stand. Er stieß Verwünschungen aus, spie auf den Leichnam und trat ihn wütend über das Gras. Dabei stolperte er über einen Felsbrocken und fiel einen halben Meter vor dem ausgestreckt daliegenden Coireg Mazaret auf die Knie. »Du verdienst wahrlich den Tod!«, zischte Kodel hasserfüllt den Bewusstlosen an. »Aber lebendig bist du uns vielleicht noch von Nutzen!« Mit diesen Worten erhob er sich mit sichtlicher Willensanstrengung, warf Tauric einen kalten Blick zu und taumelte über die Lichtung auf ihn zu. »Kommt«, sagte er heiser. »Steht auf!«
    Tauric starrte ihn verängstigt an. »Was werdet Ihr mir antun?«
    Kodel runzelte verwirrt die Stirn. »Euch antun?« Er schüttelte den Kopf, streckte die Hand aus und zog Tauric auf die Beine. »Junge, ich werde dafür sorgen, dass man Euch zum Kaiser krönt, und wenn es das Letzte ist, was ich tue!«

10
    Der schlimmste Schrecken hat seine Wurzeln
in den Ruinen der Nationen.
    IVADUIN GOVUR, Epigramme
    Versteckt im Schatten zwischen einer zerfallenen Mauer und einem massiven, umgestürzten Pfeiler beobachtete Keren eine Gruppe zerlumpter Burschen, die zwei gut gekleidete, alte Männer verprügelten. Aus den Zelten in der Nähe spähten verängstigte Gesichter, während die Schläge auf die beiden herunterprasselten. Die Männer, die sich um die Kochfeuer scharten, rückten etwas dichter an die Wärme und taten, als hörten sie die Schmerzensschreie nicht.
    Schließlich ließen die Schläger von den beiden Alten ab, und nachdem sie ihre Opfer ausgeraubt hatten, lachten die Jungen und warfen den Männern an den Feuern höhnische Blicke zu. Nachdem sie fort waren, richtete Keren ihren Blick wieder auf die beiden Gestalten auf dem harten, steinigen Boden. Sie stöhnten und bewegten sich matt. Die Minuten verstrichen, ohne dass ihnen jemand zu Hilfe kam, und ihr Ärger wuchs, aber sie hielt sich zurück. Die furchtsame Anspannung unter den unfreiwilligen Zuschauern war deutlich zu spüren.
    Dann bemerkte sie eine Reihe von verhüllten Gestalten, die sich durch das unübersichtliche Labyrinth aus Zelten

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