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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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Als sie den Hang mit der Barriere aus Trümmern erreichten, wo Barew und seine Gefährten im Fackelschein würfelten, sprang ein räudiger Hund auf und kläffte wie verrückt, während sie vorbeigingen. Einer der Wächter warf mit Steinen nach ihm, bis er jaulend weglief.
    Dasselbe ereignete sich noch zwei weitere Male. Einmal ließ eine abgemagerte Katze ihre Beute, eine tote Ratte, fahren und huschte davon, und ein anderes Mal hetzte eine angepflockte Ziege panisch im Kreis herum, bis sie vorübergegangen waren.
    Gilly und Keren hatten ihr Zelt unter einem schroffen Felsvorsprung aufgeschlagen. Der Händler hockte auf einem Felsbrocken und warf Holzstückchen in ein Feuer. Keren lächelte, als sie seine mürrische Miene sah und drehte sich zu dem Zauberer herum.
    »Ihr könntet uns jetzt wieder zurückbringen.«
    »Nein«, widersprach Suviel. »Nicht hier. Man könnte uns sehen.«
    Keren deutete auf einen Spalt zwischen dem überhängenden Felsen und der Seite des Zeltes direkt hinter Gilly. »Dort vielleicht?«
    Die Magierin warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Suchst du Rache, Keren?«
    »Er hätte es verdient.«
    Raal Haidar richtete sich auf. »Ihr ermüdet mich.« Er stieß zwei kurze, barsche Silben aus, und Keren fühlte, wie eine eisige Welle sie durchströmte. Sie fröstelte, und im nächsten Moment umhüllte sie wieder finstere Nacht.
    Gilly war aufgesprungen und hatte sein Schwert bereits halb aus der Scheide gezogen, als er sie erkannte. Suviel trat ans Feuer und rieb sich über den wärmenden Flammen die Hände. Keren leistete ihr Gesellschaft. Der Händler entspannte sich und setzte sich wieder hin.
    »Offenbar habe ich den aufregendsten Teil verpasst«, versetzte er säuerlich.
    »Wir haben keine Zeit für lange Erklärungen, Gilly«, erwiderte Suviel. »Wir müssen sofort aufbrechen, bevor jemand nach uns sucht. Und wir haben nur zwei Pferde für uns drei. Je schneller wir hier verschwinden, desto sicherer fühle ich mich.«
    »Wir werden zu viert sein.«
    Keren und Suviel fuhren herum. Raal Haidar stand hinter ihnen. Der hochgewachsene Zauberer erwiderte unbewegt den kühlen Blick, mit dem die Magierin ihn bedachte, bis der Anflug eines Lächelns über sein Gesicht huschte.
    »Das Schicksal bestimmt uns zu Reisegefährten, Shin Hantika«, erklärte er. »Wie in deinem Fall liegt auch mein Ziel im Norden, in Prekine.« Er neigte unmerklich den Kopf, als wollte er ihre Autorität in diesem Punkt akzeptieren. »Ich bin sicher, dass ich dir nützlich sein kann.«
    Suviel schwieg. Keren teilte ihr Unbehagen, als ihr dämmerte, dass Raal Haidar nur auf eine Weise von ihren Reiseplänen erfahren haben konnte: Er hatte sie in Suviels Gedanken gelesen. Schließlich nickte die Magierin. »Einverstanden. Wir freuen uns, dass Ihr mit uns reist.« »Reisen wir mit einem Augenzwinkern dorthin?« Gilly stand langsam auf. »Oder darf ich mich darauf freuen, tagelang über Berge zu klettern und durch reißende Ströme zu waten?«
    »Ich fürchte, wir sind auf diese Existenzebene beschränkt«, erwiderte Raal Haidar. Gilly verzog das Gesicht. »Ich kann meine Freude kaum bändigen.«

11
    Zwischen einer Halbwahrheit und einer halben Lüge lauern gefährliche Schrecknisse auf das unachtsame Auge. Doch die reine Wahrheit ist noch entsetzlicher.
    BETRACHTUNGEN, 27
    Die Zauberformel war noch unvollendet und schwebte in einem funkelnden, sich windenden Knoten aus gebrochenen Farben etwa dreißig Zentimeter über Bardows Tisch. Zwei schlanke Kerzen in den Nischen neben der Tür spendeten ebenfalls Licht, doch das Leuchten des Spruches war etwas ganz anderes. Sein Flackern verströmte die schwachen Farben des Regenbogens über die staubige Reihe unordentlich herumliegender Bücher auf dem langen Tisch, leckte an den verwelkten Pflanzenstielen, den grotesken Figürchen, den Zangen, Feilen, Federn und leeren Tintenfässern und überzog zwei Teller mit kaum berührten, halb vertrockneten Essensresten. Der Magier saß in einem hohen Lehnstuhl, hatte die Ellbogen auf die Armlehne gestützt, sein Kinn ruhte in einer Hand, und der Abglanz der Magie fiel auf sein müdes Gesicht.
    Bardow war erschöpft. Für einen gewöhnlichen Weitseher-Spruch hätte er nur wenige Minuten benötigt und ein bescheidenes Maß an Konzentration und Aufmerksamkeit aufbringen müssen. Bei diesem Zauber jedoch handelte es sich um etwas anderes. Im Grunde versuchte er, die Weitseherfähigkeit des Kristallauges nachzuahmen, indem er verschiedene

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