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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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zusammengebracht. Ich hatte das Gefühl, ich sollte all das an sie weitergeben, was ich früher gelernt habe.«
    Bardow schämte sich ein wenig wegen seiner Bemerkung von vorhin. »Du hast ihnen also ›Kleiner Same‹ beigebracht?«
    Fionn biss sich auf die Lippen. »War das falsch?«
    »Nein. Ich habe nur überlegt, ob eine solche Unschuld in unserem unbarmherzigen Zeitalter eine Hilfe oder ein Hindernis ist.«
    Sie lächelte. »Die Priesterinnen der Erden Mutter sind sehr gründlich in ihrem Geschichtsunterricht, Shin Bardow. Die Kinder wissen sehr wohl, was vor sechzehn Jahren passiert ist. Ich hatte nur das Gefühl, es fehlte ihnen an einer gewissen Lebensfreude.« Sie schaute wieder nach draußen. »Und ich bin überrascht, dass die Magier es nicht schon viel früher gespürt haben.«
    Bardow lachte gutmütig, und sie sah ihn an. Er füllte einen Becher aus dem Krug und reichte ihn ihr, dann füllte er einen zweiten für sich selbst. »Damit sprichst du das Dilemma im Herzen der Magierzunft an. Du musst wissen, dass vor der Invasion alle Hohen Priester des Ordens des Vater Baumes auch Mitglieder der Magierzunft waren, aber nicht alle Magier waren Priester. Doch um die höheren Mysterien der Macht der Wurzel zu erlangen, studierten alle Magier im Tempel der Erden Mutter in Trevada. Es war nicht so kompliziert, wie es sich anhört, sondern eher eine Vereinigung des Mystischen mit dem Praktischen, ein gemeinsamer Tanz, ausgewogen und harmonisch.« Er nippte an seinem Getränk. »Als die Macht der Wurzel jedoch zerstört wurde, Besh-Darok fiel, und die Priester bei der Verteidigung ihrer Tempel starben, war unter den wenigen überlebenden Magiern kein einziger Priester. Ihrer Macht beraubt, nahmen sich einige das Leben, andere dagegen versteckten sich. Und da auch der Erzmagier umgekommen war, blieb es mir überlassen, die Stärkeren, Entschlosseneren um mich zu scharen und sie hierher zu bringen. Hier arbeiten wir daran, unsere Fähigkeiten in der Niederen Macht zu verbessern, und bereiten uns auf den bevorstehenden Kampf vor.
    Gelegentlich taucht jemand auf und beschließt, sich zu uns zu gesellen, aber die meisten der jüngeren Schüler werden von Freunden und Verbündeten hergebracht.« Er lächelte schwach. »Alle sind begierig zu lernen und scheuen auch nicht davor zurück, auf die Unzulänglichkeiten ihrer Lehrer hinzuweisen.«
    Fionn senkte den Blick. »Verzeiht, wenn ich respektlos war.«
    Bardow schüttelte den Kopf. »Was wir hier tun, ist zu wichtig, als dass wir dem Respekt erlauben könnten, die Wahrheit zu verschleiern. Fionn …«
    Zögernd sah sie ihn an.
    »Unterweise deine ›kleinen Ritten nur weiter in Reimen und Geschichten«, sagte er. »Und bringe Freude in ihre Tage und ihre Träume.«
    Sie nickte. »Danke, Shin Bardow. Vielleicht möchtet Ihr Euch ja zu ihnen gesellen?« Bardow dachte einen Moment nach. »Ja, ich glaube, das könnte mir gefallen …« Er unterbrach sich, als ein schwaches Summen an seine Ohren drang. Hastig stand er auf.
    »Aber nicht jetzt«, fuhr er fort und führte die verblüffte Fionn kurzerhand zur Tür. »Verzeiht mir, wenn ich Euch so überstürzt verabschiede, aber ich muss mich augenblicklich um etwas kümmern.« »Kann ich Euch helfen?« Sie blieb auf der Schwelle stehen.
    Er schüttelte den Kopf. »Es ist riskant, und ich möchte Euch dieser Gefahr nicht aussetzen.« »Verstehe. Bis später, Shin Bardow.«
    »Bis später.«
    Nachdem sie gegangen war, schloss er die Tür und schob den Riegel vor. Dann eilte er ans Fenster, zog die Läden zu und hängte die Decke davor, ging zum Tisch und schob das Buch zur Seite. Der kugelförmige Zauber pulsierte stark, und die Vibration erzeugte auf seiner blassen Oberfläche unregelmäßige Wellen. Bardow beschwor lautlos erneut den Gedankengesang der Bindung für den Fall, dass die gefesselten Kräfte seinen ersten Versuch, sie zu bändigen, sprengten. Die Zeit verstrich nur langsam. Das Wachs rann zäh über den bereits mit einer Kruste bedeckten Leuchter, und die Tropfen bildeten bizarre, glänzende Muster auf dem Tisch. Bardow fuhr sich mit der Zunge über seine trockenen Lippen und blinzelte, weil seine Augen unter seinem starren, reglosen Blick zu brennen begannen. Dann flackerte die Kerzenflamme, als die Kugel plötzlich Risse bekam. In ihrem Inneren schimmerten silbrige Wirbel, die sich rasch ausdehnten. Sofort wirkte er den neuen Bindungsbann auf den wachsenden Zauber, und nach einigen Momenten dehnte sich die Kugel

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