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01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
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kühler Wind strich durch die Bäume, das Licht der Fackeln flackerte, und ihr Licht wurde schwächer. Er trat in die Dunkelheit und ging zu dem Baumstumpf, packte den Dolch, zog ihn mit einem Ruck aus dem Holz heraus, und schob vorsichtig die Fetzen des Pergaments hinunter, die noch an der Klinge hafteten. Eine Fackel erlosch, und der Baumstumpf schien in der heraufkriechenden Dämmerung einen drohenden Schatten zu werfen, während Mazaret über den Pfad zu seiner von einem Kaminfeuer erhellten Kammer stolperte, einer schlaflosen Nacht entgegen.

15
    Ein Strom durchschneidet eine Schlucht.
Ein Keim wächst in dem Spalt einer Wand.
Ein heißer Funken stiebt im trockenen Kienspan.
Leiden, Trauer und Aufbegehren
Binden die Menschen an das Rad des Schicksals.
    ANCHAL GUNDERLEK, Briefe nach Cabringa
    Als er auf eine Kreuzung in dem verfallenen Labyrinth stieß, blieb Tauric stehen und schöpfte Atem. Das Blut rauschte in seinen Adern, er war in Schweiß gebadet und sein ganzer Körper glühte. Der Griff seines Übungsschwertes war glitschig vom Schweiß seiner unversehrten linken Hand, und er trocknete den Knauf an seinem schmutzigen Hemd ab, das er mit seiner Rechten packte. Seiner neuen Hand.
    Die beweglichen, metallischen Finger glänzten in der gedämpften Morgensonne, die durch die eingefallene Decke des Tunnels schien. Jeder Finger war sorgfältig ziseliert und ahmte Fingernägel und Hautfalten nach, doch die Spuren von Kämpfen hatten bereits zahllose Kratzer und Dellen in dem Metall hinterlassen. Jetzt bedeckte Staub und Schmutz das metallene Glied bis hinauf zum Ellbogen, wo ein breites, festes Lederband den Übergang von Haut und Stahl verbarg. Man konnte den künstlichen Arm leicht mit Hilfe von fließendem Wasser und Bürsten reinigen, und der Waffenmeister hatte ihm auch gezeigt, wie er den Lederschutz überziehen konnte, der das Metall schützte. Als Tauric sein neues Gliedmaß zum ersten Mal gesehen hatte, war es ihm wie ein Wunder erschienen. In diesem Moment hatte er geglaubt, er müsse sich nie wieder daran erinnern, was Byrnak ihm angetan hatte. Doch seine Träume straften diese Hoffnung Lügen, und er fand nie leicht in den Schlaf.
    Tauric hob die Metallhand hoch, bewegte die Finger nacheinander und ballte sie zu einer Faust. Er hatte sie noch immer nicht ganz unter Kontrolle, das konnte er selbst erkennen. Aus diesem Grund bestand der Waffenmeister darauf, dass er so oft wie möglich seine gesunde Linke übte.
    »Ich kann hören, wie du langsamer durch den Mund atmest«, ließ sich plötzlich eine Stimme vernehmen. »Das bedeutet, du bist stehen geblieben. Noch mehr Fehler wie diesen, dann habe ich dich.«
    Die Stimme riss Tauric aus seinen Gedanken. Er hob das hölzerne Übungsschwert, entfernte sich lautlos und vorsichtig von der Stimme und schlich auf die Weggabelung zu.
    Staub hing wie ein Schleier in der Luft. Die Gänge des Labyrinths besaßen etwa die Breite eines Karrens und waren mit rohem Holz verkleidet, das mittlerweile gesplittert und verrottet war. Manchmal musste er über Schutt- und Erdhaufen hinweg steigen, unter einem Loch in der Decke entlang kriechen, das von Gräsern gesäumt war, oder sich an einer eingestürzten Wand vorbeidrücken. Er ignorierte die Abzweigung, die nach einigen Schritten in völliger Finsternis mündete, und folgte weiter dem Hauptgang.
    An einigen Stellen war die Luft schwer und stickig, und Tauric würgte, als ihn Angst beschlich. Der Waffenmeister hatte ihm erzählt, dass vor langer Zeit, Jahrhunderte vor der Gründung des Jefren-Bundes, Anhänger des längst erloschenen Nachtbären-Glaubens dieses unterirdische Labyrinth errichtet hatten, um hier ihren Riten zu frönen. Möglicherweise wurden hier sogar Bären gehalten, denen lebende Opfergaben gebracht wurden …
    Nach einigen Schritten blieb er stehen, hielt den Atem an und lauschte zitternd. Nichts war zu hören, keine Schritte, kein Knarren oder Ähnliches, bis auf ein fernes, hohles Klopfen.
    Mit einem ohrenbetäubenden Krach gab die Wand neben ihm nach und stürzte zu einem wirren Stoß aus Erde, Wurzeln und vermoderten Planken zusammen. Tauric stolperte erschreckt zurück, als eine große Gestalt durch die Staubwolken auf ihn zukam. Er fand jedoch rasch sein Gleichgewicht wieder, drehte sich um und floh zum nächstgelegenen Loch in der Decke, sprang hoch, klammerte sich an dem weichen, erdigen Rand fest, zog sich hoch und kroch hinaus. Er rollte sich über das Gras, das noch feucht vom Morgentau

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