Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
01 - Schatten der Könige

01 - Schatten der Könige

Titel: 01 - Schatten der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Cobley
Vom Netzwerk:
war, rappelte sich hoch, hastete zu einem anderen Loch im Boden und glitt wieder in die Dunkelheit hinunter.
    Dort kauerte er sich in das Halbdunkel und lauschte den Geräuschen von Erde und Steinen, die hinter ihm zu Boden rieselten. Nach einem Moment hörte er nur noch das leise Pochen seines Herzens. Die Stille wurde jedoch von der Stimme des Waffenmeisters durchdrungen, die leise und gedämpft klang, als wäre er weit entfernt. »Eine interessante Taktik, Junge. Statt den Vorteil zu nutzen, den dir meine kurzzeitige Verwirrung bot, fliehst du. Ruf dir ins Gedächtnis, dass wir hier den bewaffneten Kampf üben, nicht das Ausweichen davor. Ich erwarte, dass du dich mir beim nächsten Mal stellst. Denk daran, wer als erster einen Schlag landet, ist Sieger.«
    Tauric nickte müde. Dann runzelte er die Stirn. Sein Vater, vielmehr der Herzog von Patrein, hätte ihn nicht wegen seines Impulses zu fliehen gescholten. Er konnte sich beinah vorstellen, wie der Herzog so etwas sagte wie: »Erfahrung kontert den Vorteil der Überraschung«, während er ihn mit seinen durchdringenden blauen Augen musterte und mit einem steifen Zeigefinger auf seine Handfläche tippte.
    Die Erinnerung an den Mann, den er Vater genannt hatte, schnitt wie ein Schwert in Taurics Herz. Er seufzte und zwang sich dazu, sich auf den Augenblick zu konzentrieren, und begrub seine Trauer unter den Gedanken an den Kampf, an seine Stärken und Schwächen. Bedächtig nahm er das Übungsschwert in seine gesunde Hand. Es bestand aus einem Bündel Stecken, die zu einem Holzstab zusammengeschnürt waren. Es war nicht tödlich, knallte jedoch vernehmlich, wenn es traf, und hinterließ schmerzhafte Prellungen und Striemen auf der Haut, vor allem, wenn der Waffenmeister es schwang.
    Tauric hätte beinahe laut gelacht. Der Waffenmeister, der offenbar keinen anderen Namen führte, war größer, schwerer und schneller als er, ganz zu schweigen von dem Vorsprung an Erfahrung, die dieser Mann im Umgang mit allen möglichen Waffen hatte. Was blieb ihm, Tauric, da noch, wenn sämtliche Vorteile im Kampf bei seinem Gegner lagen?
    Er glaubte die Stimme des Herzogs zu hören.
List und Erfindungsreichtum.
    Tauric lehnte sich an die Wandverkleidung, die leise knarrte, und dachte nach. Dann ging er zu einem Schutthaufen, der von der eingefallenen Decke stammte, wühlte darin herum und schob Steine und Dreck beiseite, bis er zwei Holzstücke fand, die noch nicht zu zersplittert oder verrottet waren. Das eine kürzte er mithilfe zweier Steine, zwischen denen er es brach, und band es mit einem Stück Tuch, das er vom Saum seines Hemdes abriss, an das andere Holz, sodass beide Teile ein Kreuz bildeten. Dann zog er sein Hemd aus, schob es über diesen behelfsmäßigen Rahmen, lehnte ihn an die Wand und trat zurück. Sein Mut sank. Selbst das ungeübteste Auge würde nur das darin sehen, was es war. Er schüttelte den Kopf. Es musste ja nicht überzeugend sein, sondern seinen Gegner nur einen Moment ablenken.
    Kratzende Schritte störten die Stille. Sie kamen aus der Dunkelheit hinter dem fahlen Dämmerlicht, das durch das Loch in der Decke in den Gang fiel. Tauric packte rasch das Kreuz mit dem Hemd und schlich zügig und vorsichtig weiter, bis er an eine Stelle kam, an welcher der Gang in einen anderen einmündete. Dann scharrte er laut mit dem Fuß, kauerte sich hinter die Ecke und suchte auf dem Boden nach einem kleinen Stein, während er vorsichtig zurück in den Gang spähte. Kurz darauf sah er, wie sich ein dunkler Schatten in dem Grau bewegte, der im Näherkommen Gestalt gewann. Tauric erkannte die große Gestalt und die breiten Schultern des Waffenmeisters. Die metallischen Nieten an seinem Lederwams glänzten selbst in dem spärlichen Licht, und er hielt das Übungsschwert in seiner großen Faust.
    Tauric warf den Stein über die Einmündung in den finsteren Durchgang auf der anderen Seite, wo er kurz, aber vernehmlich aufprallte. Der Waffenmeister duckte sich, wandte sich in die Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, wich an die Wand zurück und glitt an ihr entlang zu der Ecke, hinter der Tauric wartete.
    Der packte den Holzrahmen mit dem Hemd fester, trat hervor, schleuderte den Köder gegen den Kopf des Waffenmeisters und ging in die Knie. Er glaubte, den Luftzug des Übungsschwertes über seinem Kopf zu fühlen und hörte das Klappern, als das Stockbündel gegen die Wand prallte. Gleichzeitig führte er einen Hieb gegen die Beine des Mannes.
    Es knallte laut,

Weitere Kostenlose Bücher