01 - So nah am Paradies
stand ein Kinderfahrrad. Das dunkle Bellen eines Hundes vervollkommnete die Szene.
Dorian hatte oft daran gedacht, sich einen Platz wie diesen zu suchen: abgeschieden von Hektik und Lärm, wo er sich ganz auf sein Schreiben konzentrieren konnte. Es erinnerte ihn an das Zuhause seiner Kindheit, wo Geborgenheit und harte Arbeit vorgeherrscht hatten.
Als der Auspuff wieder über den Boden ratschte, verflog Dorians Entzücken augenblicklich. Als er dann das Fenster hochgedreht hatte und die Tür öffnete, sprang ihn eine Unmasse feuchten Fells an.
Der Hund war riesig. Vielleicht war es von ihm als freundliche Begrüßung gemeint, aber in seinem augenblicklich durchnässten Zustand wirkte das Tier nicht unbedingt vertrauenerweckend. Während Dorian seine Gestalt noch mit der eines kleinen Flusspferdes verglich, kratzten die mit Schlamm beschmutzten Pfoten über die Autoscheibe, und der Hund bellte.
„Sigmund!"
Der Hund wie auch Dorian sahen zum Haus hinüber. Dorian hatte genügend Bilder von ihr gesehen, um Alana sofort zu erkennen. Die blühende Unschuld auf der Tribüne des
Rennplatzes, die bezaubernde Dame von Welt in London und Chicago, die kühle, beherrschte Witwe am Grab ihres Mannes. Und doch entsprach sie überhaupt nicht seinen Erwartungen.
Ihr honigblondes Haar fiel ihr in Ponyfransen in die Stirn und lose über die Schultern. Sie war sehr schlank und bequem mit Jeans, Stiefeln und einem übergroßen Pullover gekleidet, der ihr weit über die Hüften fiel. Sie hatte ein blasses und fein geschnittenes Gesicht. Die Farbe ihrer Augen konnte Dorian nicht erkennen, aber er sah ihren Mund, einen vollen, ungeschminkten Mund.
„Sigmund, Platz!"
Der Hund bellte noch einmal und gehorchte dann.
Vorsichtig stieg Dorian aus.
„Mrs. Rockwell?"
„Ja. Tut mir leid wegen des Hundes. Er beißt nicht
- meistens."
„Gut zu wissen", entgegnete Dorian halblaut.
Mit angespannten Nerven beobachtete Alana, wie er sein Gepäck auslud. Es war ein Fremder, den sie in ihr Haus, in ihr Leben ließ. Vielleicht konnte sie alles noch rückgängig machen, sofort, bevor er einen weiteren Schritt unternehmen konnte.
In diesem Augenblick drehte er sich um und sah sie an. Regen tropfte aus seinem dunklen Haar, das an seinem Kopf klebte. Nicht unbedingt ein freundliches Gesicht, dachte Alana. Dazu spiegelte es zu viel Lebenserfahrung, zu viel Wissen wider.
Eine Frau musste verrückt sein, wenn sie einen solchen Mann in ihr Leben ließ. Dann bemerkte sie die durchnässte Kleidung des Mannes.
„Sie scheinen einen Kaffee gut gebrauchen zu können."
„Ja." Dorian warf dem Hund, der ihn beschnüffelte, einen letzten Blick zu. „Ihr Zufahrtsweg ist eine Zumutung."
„Ich weiß." Sie schenkte ihm ein kleines entschuldigendes Lächeln. „Wir hatten einen harten Winter."
So nah am Paradies
Er machte keine Anstalten, näher zu treten. Er stand einfach im Regen und betrachtete sie. Er schätzt mich ein, dachte Alana und steckte nervös die Hände in die Taschen. Sie durfte sich jetzt keine Unsicherheit anmerken lassen, wenn sie erreichen wollte, was sie vorhatte.
Ihre Augen waren von einem dunklen, weichen Grün, und wenn Dorian es nicht besser gewusst hätte, hätte er glauben können, dass sie Furcht zeigten. Alana Rockwell hatte wirklich ein fein geschnittenes Gesicht, mit hohen Wangenknochen und einem kleinen Kinn. Ihr Teint war blass und ihre Wimpern schwarz. Entweder musste sie äußerst geschickt im Umgang mit Kosmetika sein, oder sie war tatsächlich ungeschminkt. Sie roch nach Regen und Kaminfeuer.
Dorian folgte ihr ins Haus und fand seine Erwartungen erneut enttäuscht. Die Holzdiele wirkte leicht abgenutzt. Auf einem Tisch neben der Treppe entdeckte er eine Papierblume, die ganz offensichtlich von einem Kind gemacht worden war. Auf dem Weg zur Küche hob Alana zwei Plastikastronauten vom Boden auf. Die Küche selbst blitzte vor Sauberkeit, ohne dadurch den Eindruck von Unbewohntheit zu erwecken. Die Kühlschranktür war über und über mit kleinen Bildchen bedeckt. Auf der Frühstücksbar lag ein noch unfertiges Puzzle.
Dreieinhalb Paar Kinderturnschuhe waren achtlos vor die Hintertür geworfen worden. Es brannte ein Feuer in einem Kamin, und über allem lag der Duft von Kaffee.
Wenn er kein Interesse hat, mit mir ins Gespräch zu kommen, werden wir nicht weit kommen, dachte Alana. Erneut betrachtete sie ihn. Nein, freundlich war sein Gesicht nicht, aber anziehend. Seine Brauen waren so schwarz wie sein Haar und
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