01 - So nah am Paradies
Hand unter sein Kinn und ließ ihn aufblicken. „Mir tut es leid. Du hast dich für mich stark gemacht. Danke."
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Als sie ihm einen Kuss gab, atmete er ihren vertrauten Geruch ein. Er fühlte sich jetzt nicht so unbedingt heldenhaft, nur müde.
„Sie wollen dich ein paar Stunden zur
Beobachtung hierbehalten. In der Zeit müssen wir noch Medizin für dich besorgen."
„Warum besorgst du und Chris das nicht, Alana?"
Dorian trat näher an den Tisch. „Ich würde währenddessen gern mit Ben reden."
Weil sie Verlegenheit, aber keinen Ärger in Bens Gesicht erkannte, nickte sie. „In Ordnung. Es dauert nicht lang." Als Alana in der Tür noch einen Blick zurückwarf, sah sie, dass Ben seine
Aufmerksamkeit auf Dorian gerichtet hatte.
„Wahrscheinlich warst du ziemlich wütend auf mich", begann Dorian.
„Wahrscheinlich."
„Jemanden anzuschreien, den man mag, ist ziemlich dumm. Erwachsene können manchmal dumm sein."
Ben fand das auch, aber er war vorsichtig.
„Vielleicht."
Wie konnte er nur Zugang zu dem Jungen finden?
Mit der Wahrheit. Schließlich hatte er immer groß von Wahrheit geredet, hatte sie gefordert, erwartet.
Vielleicht war dies der Zeitpunkt, wo sie von ihm gefordert war. Etwas unsicher lehnte Dorian sich an den Tisch. „Ich habe ein Problem, Ben. Und ich hoffe, du kannst mir dabei helfen."
Der Junge zuckte die Schultern und spielte mit dem Zipfel des Lakens. Aber er hörte zu.
Die Abenddämmerung war bereits angebrochen, als sie wieder zurückkamen. Ben bekam stapelweise Bücher und Spielzeug ans Bett gebracht und anschließend noch sein Abendessen. Doch die Ereignisse des Tages hatten ihn so ermüdet, dass er noch während des Essens einschlief. Während Alana ihn warm zudeckte, trug Dorian den schlafenden Chris von der Küche hoch in sein Zimmer.
„Einfach über der Pizza eingeschlafen", meinte er zu Alana mit einem kleinen Lächeln.
„Ich komme sofort."
„Ich mache es schon. Warum gehst du nicht hinunter und machst uns einen Drink?"
Es waren noch ein paar Flaschen von dem Wein übrig, den Carrie mitgebracht hatte. Alana schenkte zwei Gläser ein und machte sich
dann über die Pizza her. Seit dem frühen Morgen hatte sie nichts gegessen. Sie hatte noch nicht einmal die Hälfte eines Stückes gegessen, als ihr wieder die Tränen kamen. Sie ließ einfach den Kopf auf die Tischplatte sinken und weinte sich aus.
So fand Dorian sie. Ohne zu zögern, nahm er sie in die Arme, hielt sie dicht an sich und ließ sie an seiner Schulter weinen.
„Wie albern von mir", brachte sie heraus. „Er ist wieder in Ordnung. Aber ich werde einfach das schreckliche Bild nicht los, als er durch die Luft flog." Dorian wischte ihr die Tränen weg. Sie berührte seine Wange und küsste sie dann. „Du warst wunderbar. Ich weiß gar nicht, was ich ohne dich gemacht hätte."
„Du warst es, die sich großartig verhalten hat." Er zog eine Zigarette heraus, denn er fühlte sich selbst mehr als nur etwas mitgenommen. „Das ist eine der einschüchterndsten Seiten an dir."
„Einschüchternd?" Sie war sich nicht sicher gewesen, ob sie jemals wieder lachen konnte, doch es war leicht. „Ich?"
„Es ist nicht ganz einfach für einen Mann, sich mit einer Frau einzulassen, die einfach mit allem fertig wird: einen Haushalt zu führen, Kinder aufzuziehen, eine Farm aufzubauen. Und es ist nicht einfach für einen Mann, sich vorzustellen, dass es nicht nur Frauen gibt, die so etwas können, sondern die es auch noch gern machen."
„Ich kann dir nicht ganz folgen, Dorian." Sie nahm einen Schluck Wein, der ungewohnt, aber wunderbar erfrischend schmeckte. „Heute Morgen ... ich weiß, du warst wütend auf mich. Nein, warte einen Augenblick ...", warf sie ein, als Dorian sie unterbrechen wollte. „Ich möchte es jetzt und für immer loswerden."
Er hätte ihr sagen können, dass es nicht mehr wichtig war, nicht ihm. Aber er erkannte, dass es ihr wichtig war. „Okay."
„Du hast mich gefragt, warum ich bei Chuck geblieben bin. Ganz einfach, ich bin geblieben, weil ich ein Eheversprechen gegeben habe. Und als ich mich dann dazu durchringen musste, es zu brechen und meine Ehe zu beenden, da war es für mich irgendwie leichter, mir einzureden, ich hätte einen Fehler gemacht, ich hätte irgendwie versagt."
Ihre Stimme klang angespannt. Sie nahm noch einen Schluck Wein, bevor sie fortfuhr. „Aber ich habe keinen Fehler gemacht, Dorian. Du hast gesagt, dass Chuck versagt hat, und du hattest recht. Er hätte so
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