01 - So nah am Paradies
„Lass meine Mutter in Ruhe." Seine Unterlippe zitterte, doch er starrte Dorian entschlossen an. „Lass sie in Ruhe und geh weg. Wir wollen dich hier nicht."
Angewidert von sich selbst, wandte sich Dorian dem Jungen zu. „Ich würde deiner Mutter nie wehtun, Ben."
„Du hast es doch, ich habe es gesehen."
„Ben." Schnell trat Alana zwischen die beiden.
„Du hast es falsch gesehen. Wir waren aufeinander böse. Manchmal schreien Menschen sich
gegenseitig an, wenn sie sich ärgern."
So wie er sein Kinn vorstreckte, erinnerte er sie fast schmerzhaft
an seinen Vater, wenn sein Temperament mit ihm durchgegangen war. „Ich will nicht, dass er dich anschreit."
„Schätzchen, ich habe zurückgeschrien", sagte sie weich.
Aus seinem Blick sprach eine Mischung von Demütigung und Wut. „Vielleicht magst du ihn ja mehr als mich."
„Nein, Baby ..."
„Ich bin kein Baby!" Sein Gesicht lief rot an. „Ich werde es dir schon beweisen." Und dann knallte er die Tür hinter sich zu.
„Es war mein Fehler." Dorian fuhr sich mit beiden Händen durchs Haar. Er hatte ihnen alles geben wollen, was in seiner Macht stand. Stattdessen hatte er gleichzeitig Alana gekränkt und Ben von sich ent-fremdet. „Lass mich mit ihm reden."
„Ich weiß nicht. Vielleicht sollte ich ... Oh, mein Gott! Ben, Ben, komm zurück!" Sie stürzte zur Tür hinaus. Dorian folgte ihr. Ben hatte Thunder bestiegen, und der reizbare Hengst bockte aufgebracht.
Alana schlug das Herz in der Kehle, als sich der Junge an den Hals des Pferdes klammerte. Sie brachte nicht einmal mehr seinen Namen heraus.
Einen Augenblick lang sah es so aus, als könnte sich der Junge halten, doch dann bäumte sich das Pferd hoch auf und warf Ben mühelos wie eine Fliege ab.
Es schien Stunden zu dauern, bis Ben im Krankenhaus endlich zum Röntgen gefahren wurde.
Alana atmete tief ein, um sich zu fassen. Ihr kleiner Junge hatte versucht zu beweisen, dass er ein Mann war. Nun war er verletzt, und sie konnte nur abwarten. Dorian, der neben ihr saß, hatte Chris immer noch im Arm.
„Er ist noch ein so kleiner Junge." Die Tränen liefen ihr über die Wangen. „Er war so wütend."
„Was ist jetzt mit Ben?" Als Chris die Tränen seiner Mutter sah, war auch er nahe am Weinen.
Alana wischte mit den Handrücken die Tränen weg. „Es geht ihm gut. Die Ärzte kümmern sich um ihn."
„Wahrscheinlich bekommt er einen Gipsverband."
Dorian strich über Chris' kräftige Ärmchen. „Du kannst dann deinen Namen draufschreiben."
Chris schniefte und dachte darüber nach. „Ich kann aber nur Druckschrift."
Alana zwang sich, sitzen zu bleiben und nicht nervös auf und ab zu gehen. Doch mit jeder Minute, die verging, verstärkte sich das Gefühl der Leere in ihr. Und als der Arzt endlich herauskam, war ihr vor Angst ganz schwindlig.
„Ein netter, sauberer Bruch", informierte der Arzt sie. Als er ihre Angst erkannte, legte er ihr die Hand aufmunternd auf die Schulter. „Mit dem Gipsarm wird er die Sensation in der Schule sein."
„Er ... Hat er sonst noch etwas?" Alles, von einer Gehirnerschütterung bis zu inneren Verletzungen, war ihr in den Minuten der Angst durch den Kopf geschossen.
„Er ist kräftig und robust. Er wird einige farbenprächtige Blutergüsse bekommen. Ich würde ihn gern ein paar Stunden hierbehalten, um ihn zu beobachten, aber ich glaube nicht, dass es etwas gibt, worüber Sie sich Sorgen machen müssten. Ich habe ihm schon ins Gewissen geredet, dass er sich erst einmal von wilden Pferden fernhalten soll."
„Vielen Dank." Ein gebrochener Knochen.
Knochen heilen wieder, dachte sie voller Erleichterung. „Kann ich zu ihm?"
„Hier entlang."
Ben sah so klein auf dem weißen Tisch aus, und sofort musste sie die erneut in ihr aufsteigenden Tränen zurückdrängen. „O Ben. Du hast mich zu Tode erschreckt."
„Ich habe meinen Arm gebrochen." Stolz zeigte Ben seinen Gipsverband.
„Sehr eindrucksvoll." Er hatte ihr schon vergeben.
Alana sah es in seinem Blick und spürte es an der Art, wie er seine Finger mit ihren verschränkte.
Chris trat heran, um den weißen Gips zu begutachten. „Dorian hat gesagt, ich könnte meinen Namen draufschreiben."
„Ja." Zum ersten Mal sah Ben Dorian an. „Ihr könnt es alle. Ist Thunder weggelaufen?"
„Mach dir wegen Thunder keine Sorgen", entgegnete Alana. „Der weiß schon, wo sein Futtersack hängt."
Er betrachtete seine Hand und bewegte zögernd die Finger. „Es tut mir leid."
„Nein." Alana legte eine
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