01 - Wie Feuer im Blut
Bürgersteig. Sie
versuchte, vernünftig zu überlegen, aber der nagende Hunger und die rastlosen
Bewegungen des Babys machten ihr das Denken fast unmöglich. Sie musste
irgendwo Arbeit und etwas zum Essen finden.
Sie
versuchte es zuerst bei einem Bäcker. Eine Glocke schlug über der Ladentür an,
und die Bäckerin eilte herbei. Als sie Bonnie unter der Tür kauern sah,
runzelte sie die Stirn.
»Moment
mal!« rief die Frau. »Sie verderben uns den Fußboden mit Ihren schmutzigen
Schuhen. Was wollen Sie?«
»Ich
brauche Arbeit, Ma'am. Ich dachte ... «
»Wir
brauchen niemanden.«
»Ich
tue alles, was anfällt. Und ich verlange dafür nur ein Stück Brot.«
»Verschwinde!«
Bonnie
zuckte zusammen.
»Ich sagte,
Sie sollen verschwinden!«
Bonnie
stolperte wieder in den Regen und konnte ihr Glück gar nicht fassen, als sie
eine Münze auf dem Pflaster fand. Sie hob sie auf und wendete sie in der Hand, biss
dann sogar darauf, um sicherzugehen, dass sie echt war. Es war nur ein halber
Penny; aber damit konnte sie sich eine heiße gebackene Kartoffel kaufen. Sie
lief zu dem Händler zurück, an dem sie vor ein paar Minuten vorbeigekommen war.
Er saß unter seinem gestreiften Regenschirm, schielte sie misstrauisch an und
sagte: »Zeig mir dein Geld.«
Sie
hielt ihm die Münze hin. Er nahm sie, biss darauf und warf sie dann in-
seine Blechbüchse. Dann schleuderte er ihr eine heiße Kartoffel zu, und Bonnie
hätte vor Freude fast gelacht, als sie den Duft einsog. Sie lief zu einem
Torweg und stellte sich unter, um die Kartoffel zu essen.
Nach
einiger Zeit ließ der Regen nach. Bonnie machte sich erneut auf den Weg und
versuchte in zahllosen Geschäften und Fabriken Arbeit zu finden, erhielt aber
überall die gleiche Auskunft: kein Bedarf, kein Essen, keine milden Gaben.
Sie
erreichte die Regent Street. Sie wollte nicht betteln. Nacht für Nacht, als sie
hungrig und frierend auf ihrer Matratze gelegen hatte, hatte sie sich im
stillen geschworen, dass sie niemals betteln würde wie die vielen Tausend
Arbeitslosen, die durch die Straßen wanderten. Aber als sie an die Miete
dachte, vergaß sie ihren Stolz und näherte sich einer Frau in feinen Kleidern,
die vor einem Kurzwarengeschäft wartete. Ein gutgekleideter Herr verhandelte
gerade mit dem Kutscher einer Droschke, aus der die beiden gerade gestiegen
waren.
»Entschuldigen
Sie, Ma'am«, sagte Bonnie leise. »Glauben Sie, dass Sie vielleicht einen
Penny. ..«
»Bonnie!
«
Bonnies
Kopf schnellte zu dem Mann bei der Droschke herum.
Miles
Kemball starrte sie aus vor Schock geweiteten Augen an.
Bonnie
drehte sich um und rannte davon.
»Bonnie,
Bonnie, komm zurück!« rief Miles.
Sie lief blindlings
durch die Menge, um fliegende Händler herum, die die Regenpause nützten und ihre
Waren anpriesen. Sie rannte, bis sie vor Seitenstechen nicht mehr atmen konnte
und ein Krampf im Unterleib sie auf die Knie zwang.
Wütend schlug sie
mit beiden Fäusten auf den Boden. Warum ausgerechnet Miles? Damien würde nun
sicher erfahren, wie sehr sie heruntergekommen war. Verdammt!
Sie
rappelte sich auf und machte sich auf den Weg zu ihrem Quartier. Dort war sie
sicher.
Sie
hatte inzwischen gelernt, dass sie lieber erst anklopfen sollte' ehe sie
Manfred Jones' Bude betrat. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, und Lenore
spähte heraus.
»Was
machst du denn hier?« fragte Lenore.
»Ich
wohne hier«, erwiderte Bonnie.
»Nein,
du wohnst jetzt nicht mehr hier.«
Bonnie
kämpfte die aufsteigende Hysterie nieder.
»Mannie
hat das Bett jemand anderem gegeben«, sagte Lenore.
»Das
glaube ich nicht.«
Die Tür
wurde jetzt ganz aufgerissen, und Jones erschien. Er grinste Bonnie an und
sagte: »Glaube es, Schätzchen. Nun geh, wie es sich für ein braves Mädchen
gehört, und mach' hier keinen Stunk.«
»Du
verdammter Bastard - du hast kein Recht ... «
»Natürlich
habe ich ein Recht dazu«, unterbrach er sie. »Du hast die Miete nicht
rechtzeitig bezahlt. Ich habe dich gewarnt, Schätzchen.«
»Aber
du hast mir bis heute abend um acht Zeit gelassen!«
»Was
macht das für einen Unterschied? Du hast deinen Job verloren, nicht wahr?
Natürlich hast du ihn verloren, sonst wärst du jetzt nicht hier.«
Er
versuchte, ihr die Tür vor der Nase zuzuschlagen. Bonnie warf sich mit ihrem
ganzen Gewicht dagegen und rief. »Lass mich wenigstens meine Sachen
einsammeln.«
»Du
hast hier keine Sachen, Mädchen.«
»Meine
Bänder!«
»Was
für Bänder?«
Bonnie
erhaschte einen
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