01 - Wie Feuer im Blut
Gastfreundschaft gewährt ... «
»Mildtätige
Gastfreundschaft!« Bonnie fuhr von der Bank hoch und funkelte den erstaunten
Butler zornig an, die Hände in die Hüften gestemmt. »Wenn Sie das als
mildtätige Gastfreundschaft bezeichnen, dass ich gedemütigt, mit einer
Reitgerte eingeschüchtert und einen ganzen Tag lang in ein Zimmer eingesperrt
werde, dann möchte ich nicht wissen, was Seine Lordschaft unter Grausamkeit
versteht! Zweifellos würde er mich am liebsten auf ein Rad flechten oder in
einem Verlies unter seiner Burg verstecken!«
Stanley
baute sich vor ihr auf, zog wieder eine Braue in die Höhe and erwiderte: »Ich
bezweifle, dass er eine solche Absicht hegt.«
Miles,
der inzwischen ebenfalls aufgestanden war, schob sich zwischen Stanley und
Bonnie und sagte: »Ich muss die junge Dame entschuldigen, Stanley. Das alles
war nur meine Schuld. Ich habe sie zu einem Spaziergang eingeladen und dabei
nicht auf die Zeit geachtet. Ich werde Damien alles erklären, wenn Sie es
wollen. Allerdings ... « er lächelte Bonnie an »... wäre es ratsam, wenn Sie
jetzt doch wieder in Ihr Zimmer zurückgingen. Zuviel frische Luft nach einer
erst kürzlich überstandenen Krankheit könnte Ihrer Genesung schaden. Wir wollen
doch einen Rückfall vermeiden, oder?«
Als
Bonnie nicht darauf antwortete, legte er ihr sacht eine Hand auf die Schulter.
»Ab und zurück ins Haus. Vielleicht werden wir später den Tee miteinander
trinken. Würde Ihnen das gefallen?«
Nach
kurzem Zögern nickte Bonnie.
»Großartig!
Darf ich Sie so gegen fünf Uhr abholen?«
Als
Bonnie ihm in die zwinkernden Augen sah, bemühte sie sich nach Kräften, seine
wahren Absichten hinter seiner zweifellos geheuchelten Artigkeit ihr gegenüber
zu ergründen. Aber sie konnte nichts entdecken, was seine freundlichen Worte
widerlegte. Einen Augenblick wäre sie fast der törichten Versuchung erlegen,
sich an seiner Schulter auszuweinen. Aber sie hatte nicht die letzten fünf
Jahre durch Härte gegen sich selbst und andere überlebt, um nun schwach zu
werden.
Miles
beobachtete, wie Bonnie mit Stanley den Pfad hinunterging, setzte sich dann
wieder auf die Bank und rauchte seine Zigarre. Also hatten ihn seine Augen
gestern abend nicht getrogen. Diese junge Dame aus Caldbergh war ein sehr
einnehmendes junges Ding, trotz ihrer Verkleidung als Bettler. Er hatte nicht
gelogen, als er behauptete, jeder junge Mann in Yorkshire würde sich um sie
bemühen, wenn sie Kleider trüge. Da er seinen Bruder sehr genau kannte,
argwöhnte er, dass, Damien sie eben aus diesem Grunde noch nicht nach Caldbergh
zurückgeschickt hatte. Dieses Mädchen gehörte zu der Sorte, die ihm den Kopf
verdrehen konnte. Damien hatte sich schon immer zu diesem unkomplizierten,
unpolierten Typ von Frauen hingezogen gefühlt. Dafür war wohl die rebellische
Ader in ihm verantwortlich, wie Miles vermutete.
Miles
hatte gerade seinen Zigarrenstummel weggeworfen, als Damien auf der Bildfläche
erschien.
»Halte
dich von Bonnie fern!« schnauzte Damien ihn an. »Wenn du auch nur in ihre
Richtung schaust, wirst du es bitter bereuen.«
Zu
verblüfft, um etwas sagen zu können, starrte Miles Damien ins Gesicht und
wartete darauf, dass dieser ihm seine Drohung näher erläuterte. Aber Damien
machte auf dem Absatz kehrt und stürmte zum Haus zurück.
Miles
legte den Kopf in den Nacken und brach in Gelächter aus.
Die nächsten
Stunden verbrachte Bonnie am Fenster ihres Zimmers und blickte zu den
bewaldeten Hügeln. Zuweilen glaubte sie die Reflexe der Sonne auf dem Fluss
Cover erkennen zu können, der sich durch das Grün schlängelte.
Sie
dachte daran, wie Damien sie in der letzten Nacht in seinen Armen gehalten
hatte, und daran, wie gut sich das angefühlt hatte. Danach hatte sie
friedliche, schöne Träume gehabt, die voller Zärtlichkeit waren. Seine Sorge
um sie war echt gewesen. Aber einem so reichen Mann wie Warwick musste es doch
gleichgültig sein, ob sie lebte oder tot war. Die meisten Leute - selbst
jene, die zu ihrem Stand gehörten -hätten sie bei ihrem ersten Wutausbruch
auf die Straße gesetzt.
Vorsicht,
dachte sie, du darfst nicht einen Moment glauben, dass Warwick anders wäre als
der Rest der Menschheit, nur weil er dir einen Korb mit jungen Kätzchen
geschenkt und dir eine Träne von der Wange gewischt hat. Das bedeutet nicht,
dass er dich nicht ebenso rasch an die Luft setzen würde wie jeder andere
Mensch, zu dem du kratzbürstig bist. Er wollte dich ja schon gestern
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