01 - Wie Feuer im Blut
schmeichelnden Worten zu
zerstreuen suchte. Er hatte eine angenehme Gestalt, das musste sie zugeben,
obwohl gewisse Fältchen in seinem Gesicht auf einen ausschweifenden
Lebenswandel und die tiefen Kerben an den Mundwinkeln auf einen zynischen Humor
hinzudeuten schienen. Er war knapp über einsachtzig groß - eine
Winzigkeit kleiner als Damien, wie sie bei der Auseinandersetzung zwischen den
beiden Brüdern gestern Abend bemerkt hatte, aber genauso muskulös und sehnig
wie der jüngere Warwick. Nur seine Haut war nicht so dunkel getönt wie die
seines Halbbruders. Damiens Teint war bronzefarben wie der eines Zigeuners,
und Miles' Augen waren nicht grün, sondern haselnussbraun. Doch dieser Mund
lächelte wenigstens und zeigte ihr kein höhnisches Grinsen. Bonnie nahm das mit
einer gewissen Erleichterung wahr und entspannte sich sichtlich. Und so nickte
sie schließlich zum Zeichen, ~aß sie ihn auf seinen Spaziergang begleiten
würde.
Sie
gingen einen gepflasterten Pfad hinunter, bis sie zu einem Platz kamen, auf
dem ein Reitknecht das schönste Pferd striegelte, das Bonnie je gesehen hatte.
Sie blieb stehen und betrachtete ehrfürchtig das Tier.
»Herrlich,
nicht wahr?« fragte Miles. »Das ist Gdansk, ein Vollblut-Araber. Das
Züchten von Pferden gehörte zu den Passionen meines Vaters. Nach seinem Tod hat
Randolf die Pferde jedoch verkauft - bis auf Gdansk natürlich.«
»Ist es
ein so gutes Reitpferd?« fragte Bonnie.
»Er ist
ein eigensinniger Bursche und lässt nicht jeden an sich heran. Wir verwenden
ihn hauptsächlich zur Zucht. Viele seiner Nachkommen haben bei den wichtigsten
Rennen in England schon bedeutende Preise gewonnen.«
Sie
setzten ihren Weg auf dem gewundenen Pfad fort, kamen an gepflegten
Blumenrabatten vorbei, bis sie eine Marmorbank vor einigen Rosenbüschen
erreichten. Miles lud sie dort zum Sitzen ein, setzte sich neben sie, schlug
die Beine übereinander und sah sie wieder lächelnd an.
»Haben
Sie etwas dagegen, wenn ich rauche?« fragte er.
Überrascht,
dass er sie überhaupt fragte, schüttelte Bonnie den Kopf.
Nachdem
Miles sich eine Zigarre angezündet hatte, sagte er: »Sie reden nicht viel,
obwohl man mir das Gegenteil von Ihnen berichtet hat. Haben Sie Angst vor mir?«
»Sollte
ich das?«
»Sie
sollten zwar auf der Hut sein; aber nicht ängstlich. Ich laufe in der Regel
nicht in der Gegend umher und mache Jagd auf kleine Mädchen.« Dann, mit einem
hintergründigen Zwinkern seiner haselnussbraunen Augen, setzte er hinzu:
»Natürlich bin ich bisher auch nicht vielen Mädchen begegnet, die so hübsch
sind wie Sie.« Sie musste ihn verblüfft angesehen haben, denn er lachte. »Sie
sind bezaubernd, Bonnie, auch wenn Sie Ihre Schönheit unter diesen
schrecklichen Hosen zu verstecken versuchen. Ich wette, wenn Sie ein Kleid
anziehen würden, würde sich jeder junge Mann in Yorkshire einen Pfad bis zu
Ihrer Haustür anlegen.«
»Ich
bin nicht daran interessiert«, erwiderte Bonnie spitz
»Nein?
Noch zu jung dafür, eh?«
»Ich
bin nicht so jung«, gab Bonnie zurück. »Ich bin älter, als ich aussehe.«
»Oh?«
Seine Neugierde war sichtlich geweckt. Miles schaute ihr ins Gesicht. Ein
kühles Lächeln auf den Lippen fragte er: »Wie alt sind Sie wirklich?«
Bonnie
öffnete den Mund und schloss ihn wieder. Unter Miles' forschendem Blick konnte
sie ein leichtes Erröten nicht unterdrücken, fand jedoch, dass es besser für
sie war, wenn er so wenig wie möglich über sie wußte. Mit einem etwas
befangenen Lächeln begegnete sie seinem Blick und erwiderte: »Alt genug, um zu
wissen, wann ich meinen Mund halten muss.«
Miles
lachte, und Bonnie entspannte sich wieder. Sie fand, dass er kein unangenehmer
Gesellschafter war, obwohl sie dieses Glitzern in seinen Augen richtig zu
deuten wußte. Er gehörte zu der Sorte von Männern, vor denen Frauen auf der Hut
sein mussten.
In
diesem Moment erschien Stanley und kam mit energischen Schritten auf die
beiden zu. Er zog seine buschigen Augenbrauen in die Höhe, als er Bonnie nur
eine Handbreit von Miles entfernt auf der Bank sitzen sah.
»Gütiger
Himmel!« rief er. »Da sind Sie ja! Ist Ihnen bewußt, dass der Graf seine
gesamte Dienerschaft wie die Ameisen herumlaufen lässt, um nach Ihnen zu
suchen?«
»Der
Graf kann mich mal ... «
»Meine
teure junge Dame - ich bin mir durchaus im klaren, dass zwischen Ihnen
und Seiner Lordschaft ein gespanntes Verhältnis besteht. Solange Ihnen jedoch
der Graf seine mildtätige
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