01 - Wie Feuer im Blut
Sie mögen.
Ein Mann in Ihrem Alter sollte verheiratet sein und Kinder haben, aber Sie
laufen in der Weltgeschichte herum und meinen, Sie müssten jeden
zurechtweisen, der es wagt, seinen Mund aufzumachen.«
Bonnie
bereitete sich auf Warwicks Wutanfall vor. Es war ohnehin besser, Damiens
Flüche im Ohr zu haben, wenn sie Braithwaite verließ.
Aber
Damien fluchte oder brüllte nicht - im Gegenteil, sein Gesichtsausdruck
wurde freundlicher und seine Haltung war gelöst.
Bonnies
Herz machte einen Satz, als sie ihm in die Augen sah. Plötzlich wurde ihr klar,
dass sein Anblick immer die gleiche Reaktion bei ihr auslöste, und das gefiel
ihr ganz und gar nicht. Noch weniger gefiel ihr seine unerschütterliche Kraft
und Stärke, als er sie spöttisch anfunkelte. 0 ja, Warwick brachte sie aus dem
Gleichgewicht, und zum ersten Mal, seit sie im Alter von zwölf Jahren in Caldbergh
eingewiesen worden war, war sie sich ihrer Weiblichkeit völlig bewußt, die sie
so sorgsam vor Smythe zu verbergen versucht hatte, obwohl sie sich oft danach
gesehnt hatte, das Mädchen zu bleiben, das sie einst gewesen war.
»Nun?«
fragte sie misstrauisch, »worauf warten Sie noch? Halten Sie mir endlich eine
Predigt, weil ich Sie vor Ihren hochmögenden Freunden blamiert habe. Machen Sie
schon, und hören Sie auf, mich so anzustarren.«
Damiens
Lippen verzogen sich zu einem Lächeln, während er Bonnies Versuch, ihn
herauszufordern, mit einem Achselzucken abtat. »Ich soll mich selbst wieder als
Menschenfresser hinstellen? Das kommt nicht in Frage, Mädchen.«
Zunächst
war Bonnie verblüfft über seine plötzliche Friedfertigkeit. Aber da glitzerte
ein seltsames Licht in seinen grünen Augen, das sie irritierte. Sein
abschätzender Blick verstärkte nur noch ihre Unruhe, und sie wich einen
Schritt zurück. Sie hatte plötzlich das Gefühl, als würde sie ausgezogen und
stünde ohne die Bandage aus Nesselstoff vor ihm, die ihre Brüste so flach
machten wie die eines noch pubertären Mädchens.
»Tatsächlich«,
fuhr Warwick fort, »hatte ich die Absicht, mein früheres Angebot zu
wiederholen, dass du in Braithwaite bleiben kannst, vorausgesetzt natürlich,
dass du dich hier ordentlich benimmst soweit dir das überhaupt möglich ist.
Solltest du dich zu einem vernünftigen Verhalten durchringen können, wirst du
sicherlich bald feststellen, dass ich nicht annähernd so schroff bin, wie du
mich hinstellst. Vermutlich muss man bis zu einem gewissen Grade Rücksicht
nehmen auf das Milieu, in dem du aufgewachsen bist, aber Erziehungsmängel sind
nicht unheilbar.«
Dieser
verdammte Kerl! Er tat so, als hätte sie irgendeine peinliche Krankheit, die
man mit Arznei behandeln musste!
Bonnies
Augen weiteten sich, als er näher kam. Auf einmal wurde sie von merkwürdigen Gefühlen
ergriffen. Zum ersten Mal in ihrem jungen Leben war sie versucht, sich auf die
Zehenspitzen zu stellen und einem Mann einen Kuss zu geben.
Warwick
schob die Hände in die Hosentaschen und blickte sich im Zimmer um. Er
verblüffte sie abermals mit den Worten: »Ich mag dieses Haus nicht. Es ist
kalt, zugig und düster. Als kleiner Junge hat es mir Angst eingejagt. Damals
standen hier noch Möbel mit geschnitzten Fratzen. Ich habe mir immer
eingebildet, es wären Teufel, die nur darauf warteten, bis es dunkel wird, um
sich auf mich zu stürzen. Als ich schließlich meiner Mutter einzugestehen
wagte, dass ich Angst hätte, abends ins Bett zu gehen, ordnete sie an, dass diese
verdammten Möbel aus meinem Zimmer entfernt werden sollten. Mein Vater ließ sie
jedoch wieder hineinstellen. Er sagte, dass jeder Warwick, der diesen Namen
auch
verdiente,
furchtlos dem Satan ins Auge sehen könnte.« Damien schüttelte den Kopf. »Ich war
damals sechs oder sieben Jahre alt. Ich konnte nicht verstehen, warum so ein
Knirps wie ich dem Satan ins Gesicht starren musste, bis er klein beigab.« Er
sah Bonnie an. »Begreifst du das, Mädchen?«
Als sie
ihm keine Antwort gab, fuhr er fort: »Natürlich hat er mich nie wie ein Kind
behandelt. Meine Brüder und ich waren immer nur >adelige junge Herren<,
die sich stets an ihre herausragende Stellung im Leben zu erinnern hatten.
Dieses Leben war sehr traurig. Ich musste zusehen, wie die Kinder unserer Pächter
miteinander spielten, und verfluchte meine noble Geburt. Manchmal schlich ich
mich aus dem Haus und schloss mich ihren Spielen an. Einmal ertappte mein Vater
mich dabei und peitschte mich vor den Augen meiner Freunde mit einer
Weitere Kostenlose Bücher