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01 - Wie Feuer im Blut

01 - Wie Feuer im Blut

Titel: 01 - Wie Feuer im Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Sutcliffe
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vermeiden, die ihn hier festzuhalten drohte.
    Er schob
die Hände in die Hosentaschen und ging durch den langen Korridor, der zum
Kohlenlager führte. Ein schwaches Licht schimmerte unter der Tür hindurch, und
es reichte, dass er den Schlüssel erkennen konnte, der auf einem Tischchen an
der Wand lag. Er öffnete die Tür.
    Bonnie
lag zusammengerollt in einer Ecke an der entferntesten Wand. Ihre Haare waren
so schwarz wie die Kohle, von der sie umgeben war. Und als sie nun zu ihm
aufsah, waren ihre Augen nicht minder dunkel.
    »Warum?«
fragte er schlicht.
    Sie gab
ihm keine Antwort, und schaute ihn nur aus glasigen Augen an.
    »Wenn
du dich entschuldigst, könnte ich es mir vielleicht noch anders überlegen.«
    Bonnie
drehte ihr bleiches Gesicht wieder der Wand zu. Dann erhob sie sich langsam. In
diesem Moment sah sie nicht wie ein Kind aus - nicht wie das zitternde,
verängstigte Kind, das weinend bei ihm Zuflucht suchte, weil ein Alptraum es
verfolgte. Plötzlich zeigte sich eine Reife in ihren Augen, dass er sich eine
Sekunde lang fragen musste, ob sie denn wirklich so jung war, wie sie zu sein
schien.
    Bonnie
stieg vorsichtig über Kohlen hinweg, die hier und dort den Boden bedeckten,
ging dann direkt auf Damien zu und baute sich vor ihm auf. Als er in ihre Augen
schaute, in denen jetzt der Zorn loderte, spürte er wieder seinen verletzten
Stolz und noch etwas: eine widerwillige Bewunderung für ihre Courage -
eine Courage, die ihm selbst offenbar in den letzten zwei Jahren abhanden
gekommen war. Er fragte sich flüchtig, ob das Mädchen ihn deshalb so heftig bekämpfte,
und war dann ehrlich genug, sich einzugestehen, dass dies nur einer von
vielen Gründen war.
    Er hob
eine Hand und legte sie sacht auf Bonnies Wange, lächelte und fragte:
»Entschuldigst du dich? Schwörst du mir, dass du nie mehr so etwas wie heute nacht
tust, Bonnie?«
    Ein
Herzschlag verging, ehe sie sagte: »Gehen Sie zum Teufel ... Mylord.«
Dann spuckte sie ihm ins Gesicht.
    Damien
stand unter der Eingangstür und sah zu, wie Bonnie zu Stanley in die Kutsche
stieg. Marianne stand an der Steintreppe, und ihr Morgenmantel flatterte in der
kühlen Brise. Sie ging mit einem erbitterten Gesicht zum Haus zurück, und als
sie die Tür erreichte, blieb sie einen Moment stehen, um zu sagen: »Du bist der
herzloseste Schuft, den ich je kennengelernt habe.«
    Er ergriff
ihren Arm, als sie an ihm vorbeidrängen wollte. »Muss ich mir wirklich gefallen
lassen, dass sie uns bestehlen wollte? Um Himmels willen, Mari, wir haben nur
Gutes für sie getan, und das war nun der Dank dafür. Sie ist in Caldbergh
wirklich besser aufgehoben als hier. Dort sind sie für die Behandlung
schwieriger Kinder gut gerüstet.«
    »Kinder?
Gütiger Gott!« Sie lachte. »Du bist nicht nur herzlos, sondern auch blind. Hast
du dich nie gefragt, warum Bonnie aus Caldbergh geflüchtet ist?«
    »Was
sollte ich deiner Ansicht nach tun? Sie den Behörden übergeben, die sie
zweifellos sofort nach Caldbergh zurückgebracht oder sogar ins Gefängnis
gesteckt hätten? Oder meinst du, ich hätte sie laufen lassen sollen, damit sie
auf der Straße bettelt? Wie lange hätte sie das wohl heil überstanden, Mari?«
    »Du
hättest sie hier wohnen lassen können, Damien.«
    Er
starrte auf die Straße, wo die Kutsche soeben hinter einer Kurve verschwand.
»Ich habe es ihr angeboten. Sie hat mein Angebot ausgeschlagen.« Er lehnte sich
gegen den Türrahmen und kreuzte die Arme vor der Brust. »Und darf ich dich
daran erinnern, dass ich Braithwaite bald verlassen werde? Was wäre dann aus
Bonnie geworden? Sollten die Dienstboten sie etwa großziehen?«
    »Es
gibt ja auch Schulen.«
    »Gütiger
Himmel.« Damien lachte. »Vielleicht schlägst du mir als nächstes vor, dass ich
sie adoptieren soll oder dergleichen Unsinn. Zudem gibt es keine Schule in
England, die sie so, wie sie ist, aufnehmen würde.«
    Marianne,
die ihre Erbitterung über sein Verhalten ein wenig überwunden zu haben schien,
musterte ihn aufmerksam. »Du scheinst dir wenigstens Gedanken über sie gemacht
zu haben«, sagte sie.
    »Natürlich.«
    »Wie
beurteilst du dann deine Entscheidung?«
    »Bonnie
hat diese Entscheidung getroffen, wenn ich dich daran erinnern darf. Sie hat es
vorgezogen, Braithwaite zu verlassen«.
    »Vielleicht
wollte sie gehen. Aber warum hast du sie dann weggeschickt? Doch nicht etwa
weil sie dir ans Herz gewachsen ist, oder?«
    »Das
widerspricht jeder Logik. Wenn ich sie mögen würde - warum sollte

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