01 - Wie Feuer im Blut
ich sie
dann wegschicken?«
»Um
dein Leben nicht noch komplizierter zu machen, natürlich. Ich habe dir schon
einmal gesagt, dass du es nur ungern zugibst, wenn du etwas für eine Frau
empfindest. Du schickst Bonnie weg, damit du dich nicht mit der Tatsache
auseinandersetzen musst, dass sie dir etwas bedeutet.«
Er
schwieg. Ihre Annahme war so lächerlich, dass sie keine Antwort verdiente.
»Ich
habe so ein Gefühl, als hätten wir diese junge Dame nicht zum letzten Mal
gesehen. Damien. Würde es dir gefallen, wenn sie noch einmal hier vor der Tür
stehen würde und sich dazu entschließen würde, sich anzupassen?«
Damien
fuhr sich mit der Hand durch sein dichtes schwarzes Haar, während er sich eine
Antwort überlegte. Schließlich sagte er wahrheitsgetreu: »Ich weiß es nicht.«
Marianne
betrachtete ihn noch einen Moment und lächelte. Ohne ein weiteres Wort zu
sagen, ging sie auf ihr Zimmer.
Damien
sagte sich immer wieder, dass seine Entscheidung, Bonnie nach Caldbergh
zurückzuschicken, richtig gewesen war. Er dachte nur an ihr Wohlergehen. Sein
Entschluß hatte nichts mit der Wirkung zu tun, die dieses Mädchen vom ersten
Moment an auf ihn ausgeübt hatte, und auch nichts damit, dass er sich nicht
auf seine Probleme konzentrieren konnte, weil ihn der Blick aus ihren großen,
bangen Augen Tag und Nacht verfolgte.
Widerwillig
gestand er sich ein, dass irgendwann in den zwei Wochen das Gefühl in ihm
erwacht war, für sie verantwortlich zu sein. Nur verantwortlich? Es war mehr
als das, und er wußte das, auch wenn es ihm schwerfiel, es zuzugeben. Er hatte
sich zu dem Mädchen hingezogen gefühlt, seit sie nach Braithwaite gekommen war.
Diese Einsicht lenkte seine Gedanken in Bahnen, die er in den letzten fünf
Jahren sorgsam gemieden hatte.
Bonnie
wußte, dass Caldbergh und Birdie Smythe sie schon hinter der nächsten
Hügelkuppe erwarteten. Ihr blieben nur noch wenige Minuten, Stanley zu
überreden, sie laufen zu lassen.
»Stanley«,
begann sie ein wenig atemlos, »wenn sie mich hier absetzen, kann ich den Rest
des Weges allein zurücklegen.«
Er zog
eine Braue in die Höhe und musterte sie skeptisch.
»Sie
werden mich auspeitschen«, murmelte sie. »Mit einem Streichriemen. Dann werden
sie mich tagelang in ein dunkles Loch sperren.«
»Unsinn.«
Es
wurde Zeit, ihm die ganze Wahrheit zu sagen. »Sie verkaufen die Mädchen und
zwingen sie zur Prostitution, Stanley. Deswegen bin ich ja aus Caldbergh
weggelaufen. Meine Zeit dafür war gekommen. Ich habe gelauscht, als Birdie mit
einem Mann verhandelte, der mich nach London mitnehmen wollte. Birdie sollte
einen ziemlich hohen Preis für mich bekommen, weil ich ... « Sie nagte an ihrer
Unterlippe, als sie den überraschten Ausdruck auf dem Gesicht des Butlers
bemerkte. »... weil ich noch Jungfrau bin.«
Stanley
rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her, sagte aber nichts.
»Sie
werden mich auspeitschen«, wiederholte sie. »Dann schicken sie mich nach London
und machen eine Hure aus min«
Stanley,
der nun schrecklich verunsichert aussah, sank gegen das Rückenpolster zurück.
»Warwick
wird es nie erfahren«, drang sie weiter in ihn. »Lassen sie mich einfach hier
aussteigen, und ich werde für immer verschwinden. Das schwöre ich, Stanley.«
Plötzlich
hielt die Kutsche.
Erschrocken
sprang Bonnie an die Tür der Kalesche und spähte durch das Wagenfenster.
Caldbergh lag kalt und grau vor ihr auf dem Grund des Tales wie ein totes,
verwesendes Tier.
»Es tut
mir leid, Mädchen«, hörte sie Stanley sagen. »Hättest du mich früher von den
Verhältnissen dort informiert ... hättest du diese Angelegenheit Seiner
Lordschaft offen und vertrauensvoll vorgetragen ... «
»...
hätte das nicht den geringsten Unterschied gemacht«, erwiderte sie leise. Dann
warf sie einen traurigen Blick auf Stanley, stieß den Wagenschlag auf und sprang
aus der fahrenden Kutsche. Sie prallte auf den harten Boden auf, hatte aber
erst ein halbes Dutzend Schritte gemacht, als sich ein Paar kräftige Arme um
sie legten und sie zu Boden warfen. Sie wehrte sich nach Kräften und biss in
die Hand, die ihren Kopf in die feuchte Erde drückte.
»Moment
mal!« rief Stanley. »So behandelt man doch kein Kind!«
»Kind?«
kam Smythes höhnische Stimme, die Bonnie mit kalter Furcht erfüllte. »Die hat
kaum noch etwas kindliches an sich, mein guter Mann. Ich habe mich schon
gefragt, wie lange sich seine Lordschaft ihre Ungezogenheit und Wutausbrüche
gefallen lässt.
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