01 - Wie Feuer im Blut
nicht so qualvoll
waren, wenn sie kniete und den Oberkörper kerzengerade hielt. Aber sie konnte
diese Haltung nicht lange bewahren. Die Haut auf ihren Knien war schon
aufgerieben. Bald würde sie wieder auf die Hände fallen und über den Boden
kriechen müssen. Sie haßte das. Es gab ihr das Gefühl, ein hilfloses Tier zu sein
, das um Erbarmen winselte.
Sie
hatte nicht ein einziges Mal geschrien. Sie hatte nur mit den Zähnen
geknirscht, die Augen zugemacht und sich irgend etwas Angenehmes vorgestellt.
Ihre Mutter, die ihren Finger küsste, als sie sich an einem Rosendorn ritzte.
Ihren Vater, der sie nach einem harten Arbeitstag hochgehoben und dann
herumgewirbelt hatte, wenn sie ihm entgegenlief, um ihn zu begrüßen. Hier
endeten auch schon ihre guten Erinnerungen, und sie hatte verzweifelt nach
etwas anderem gesucht, was sie von diesem grässlichen Schmerz ablenken konnte.
Sie sah sein Gesicht - Warwicks grüne Augen, die sie verspotteten;
sein Mund, der sich verächtlich verzog. Wie sehr hatte sie sich bemüht, ihn zu
hassen. Er hatte sie schließlich nach Caldbergh zurückgeschickt. Dann hatte
sie sich eingestehen müssen, dass sie ihre eigene Sturheit nach Caldbergh
zurückbefördert hatte. Wenn sie ihm doch nur erklärt hätte ...
Die
Sonne ging schon unter, als Smythe mit Timothy zurückkam. Sie packten sie,
stellten sie auf die Beine und zogen ihr, wenn auch mit einiger Mühe, ihre
Kleider an. Sie brachten sie zur Kellertür. Alles begann sich wieder um sie
herum zu drehen, als sie in das dunkle Loch starrte. Die alten Ängste kamen
zurück, die Furcht vor blutbesudelten Händen, diese wahnsinnige Angst vor
dunklen, geschlossenen Räumen. Ihre Knie gaben nach, und als sie in das Loch
gestoßen wurde, umfing sie die Vergangenheit wie ein kalter, feuchter Nebel.
Sie zog die Knie an die Brust und vergaß die schrecklichen Schmerzen und sank
in einen tiefen Schlaf.
Sonnenlicht ergoss
sich über ihr Gesicht, als die Tür zu dieser Hölle wieder geöffnet wurde. Sie
blinzelte. Smythe beugte sich über sie, und sie zuckte zusammen. Wie lange
hatte sie hier gelegen? Einen Tag? Zwei? Der Hunger hatte sich in ein pelziges
Gefühl verwandelt, das nach und nach ihren ganzen Körper ergriffen hatte. Es
tat weh, sich zu bewegen.
Sie
hatte aber keine andere Wahl. Smythe ergriff ihren Arm und zerrte sie unsanft
aus ihrem winzigen, pechschwarzen Gefängnis und schleifte sie dann zu seinem
Büro. Sie hatte das Gefühl, als würden ihre Fersen und Beine von tausend
Nadeln zerstochen.
Mit der
Hilfe Gottes schaffte sie es bis zum Büro, ehe sie zusammenbrach. Smythe stieg
über sie hinweg und ging zu seinem Schreibtisch, auf dem sich Berge von
Papieren häuften. Die Tür öffnete und schloss sich wieder, als Timothy zu
ihnen stieß.
»Die
Luder sind heute ziemlich aufsässig«, hörte sie Timothys Stimme.
»Aye,
das haben wir der da zu verdanken, wette ich.« Smythe deutete auf Bonnie.
»Wir
sollten sie so rasch wie möglich loswerden, oder es gibt Ärger.«
»Genau
das gleiche habe ich auch gedacht.« Birdie kramte in seinen Papieren. »Ich sehe
keinen Grund, warum wir unseren ursprünglichen Plan mit dieser jungen Dame
nicht weiterverfolgen sollten. Der Gentleman in London war sehr begierig
darauf, sie zu bekommen. Begierig bis zur Summe von einhundert Pfund, wenn ich
mich recht entsinne.«
»...
ist 'ne Menge Geld, Sir.«
»Scheint,
dass Jungfräulichkeit eine seltene, hochgeschätzte Ware in London geworden
ist. Wie ich gehört habe, gibt es Gentlemen aus besten Kreisen, die fünfmal so
viel bezahlen würden für die Gelegenheit, ein Mädchen zur Frau machen zu
können. Und je jünger sie sind, um so besser.«
Bonnie schloss
die Augen, während seine Worte in ihrem Kopf widerhallten. Irgendwo in diesem
Nebel, der sich in ihrem Bewusstsein auszubreiten schien, nahm plötzlich ein
Plan Gestalt an. Sie öffnete die Augen und starrte an die Decke.
»Da
kommt ihr beide zu spät«, sagte sie ruhig.
Beide
Männer drehten sich um und starrten sie an. Smythe kauerte sich neben sie auf
den Boden. Bonnie sah ihn an und grinste.
»Seine
Lordschaft hat das bei mir bereits erledigt. Er ist zu mir ins Zimmer gekommen
und hat mich vergewaltigt. Als ich gedroht habe, ihn bloßzustellen, hat er mich
aus dem Haus geworfen.«
Smythes
Gesicht wurde schneeweiß.
Bonnie schloss
die Augen und fing an zu lachen.
Neun
Damien starrte sein
Spiegelbild an. Er hatte blaue Ringe unter den Augen, stank nach Ale und hatte
sich seit
Weitere Kostenlose Bücher