01 - Wie Feuer im Blut
geschnitzten
EIfenbeinkistchen, das auf dem Tisch neben dem Sessel stand, zündete sie jedoch
nicht an. Nach einer Weile warf er sie in den kalten Kamin und fluchte. Dann
tat er in seiner Verzweiflung etwas, was er bisher noch nie getan hatte: Er
beschwor absichtlich das Bild von Louisa mit ihrem Liebhaber herauf, zwang sich
jede Einzelheit dieser Szene in seine Erinnerung zurück. Ihre langen weißen
Beine, die sie gespreizt hatte, um ihn zu empfangen - den Ausdruck von
wonniger Ekstase auf ihrem Gesicht. Er erinnerte sich an ihr lustvolles Stöhnen
und das Keuchen ihres Liebhabers.
Damiens
Körper war in Schweiß gebadet, als er eine besorgte Stimme im nachtdunklen
Zimmer rufen hörte: »Mylord!« Erst jetzt bemerkte er Stanley, der schon eine
Weile versuchte, seine Aufmerksamkeit zu erregen.
Ohne
den Butler anzusehen, holte Damien tief Luft und atmete rasch wieder aus. »Was
gibt's?« fragte er.
»Bonnie,
Sir ...
ich
glaube, sie ist fortgegangen.«
Damien
richtete sich kerzengerade auf. Er sah seinen Diener an, der mit wirren grauen
Haaren im seidenen Morgenmantel unter der Tür stand. Stanley trat näher, ohne
sich von Damiens Nacktheit abschrecken zu lassen.
»Ich
wollte Feuer im Herd für die Köchin machen, Sir, und entdeckte, dass die
Vordertür offen stand. Ich nahm mir die Freiheit heraus, in Bonnies Zimmer
nachzusehen; sie war nicht dort.«
Damien
griff nach der Hose, die er über die Rückenlehne des Sessels geworfen hatte.
Stanley nahm das Hemd und hielt es Damien hin.
Damien
lief die Treppe hinunter, rannte durch die Vorhalle und wäre fast auf dem
regennassen Marmor ausgerutscht. Er riss die Eingangstür auf und lief in die
stürmische Nacht hinaus, als ein Blitz aus den Wolken herniederzuckte und
funkensprühend in einen morschen Baum auf einer Anhöhe fuhr.
»Bonnie!«
schrie Damien.
Der
Donner erstickte seine Schreie, als er die Auffahrt hinunterrannte. Damien
schützte sein Gesicht mit dem Unterarm vor dem Regen und bemühte sich, in der
Wasserflut etwas zu erkennen, als er einen Schrei hörte.
Stanley
ruderte heftig mit beiden Armen in der Luft und deutete dann zum Rosengarten.
Damien lief los, versank bis zu den Knöcheln im Schlamm und sprang über eine
Hecke.
Als er
das Ende des Rosengartens erreichte, sah er sie. Er achtete nicht auf die
Dornen, die ihm die Haut an den Armen aufrissen. Ein zweiter Blitz schlug in
seiner Nähe ein, als er sich bückte und Bonnie, die auf Knien und Händen
zwischen den Büschen lag, in seine Arme riss. Sie klammerte sich an ihn, als er
sich dem Haus zuwandte, und barg ihr Gesicht an seiner Schulter, um es gegen
den prasselnden nadelscharfen Regen zu schützen.
Stanley
erwartete sie mit einer Decke an der Tür. Er legte die Decke um Bonnie und
Damien, als sie ins Haus kamen. Damien brachte Bonnie in die Bibliothek, wo
bereits ein Feuer im Kamin angezündet war. Er ließ sich in den Lehnstuhl vor
dem Kamin fallen und drückte Bonnie an seine Brust.
»Allmächtiger
Gott, Bonnie, was hast du dir nur dabei gedacht, in diesem Unwetter aus dem
Haus zu gehen?« Er zog die Decke fester um sie, weil ihre Zähne vor Kälte
klapperten. »Himmel«, sagte er und wiegte sie sanft hin und her. »Du hättest
dir den Tod holen könne, du kleine Närrin. Und wofür?« Er fasste sie bei den
Schultern und schüttelte sie. »Kannst du mir sagen, wofür?«
Ihr
Gesicht wirkte blutleer und ihre Lider zuckten ein paarmal, als sie so leise,
dass er sie kaum verstand, sagte: »Meine Kätzchen.«
»Deine
was?«
»Ich
habe im Stall nachgesehen, aber da waren sie nicht. Ich hab in der Wäscherei
und in den Gewächshäusern gesucht und dachte, dass sie sich im Garten
verkrochen haben. Ich hatte Angst, sie könnten ertrinken.«
Er nahm
ihr schmales Gesicht zwischen seine kräftigen Hände und schüttelte ungläubig
den Kopf. »Katzen? Du hast nach deinen verdammten Katzen gesucht?«
Ihr
Kopf bewegte sich heftig auf und nieder und Damien lächelte. Er nahm sie wieder
in die Arme, um sie zu wärmen. Er lachte, bis sich der Schmerz, der wie ein
Eisklumpen in seiner Brust gelegen hatte in ein warmes, angenehmes Gefühl
verwandelte.
»Katzen.
Und ich dachte, du hättest dich aus Trotz bei diesem Wetter auf den Weg nach
York gemacht.«
»Ich
bin vielleicht dumm«, sagte sie, »aber so dumm nun auch wieder nicht.«
Lange
Minuten drückte er Bonnie an seine Brust, bis sie nicht länger vor Kälte
zitterte und sich ein wenig entspannte. Sie hob den Kopf, als Stanley mit einem
Korb
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