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010 - Die Bestie mit den Bluthänden

010 - Die Bestie mit den Bluthänden

Titel: 010 - Die Bestie mit den Bluthänden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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    Die junge Französin sah das teuflische, unheilbringende Gemälde aus einer
fernen Zeit, und sie erschauerte.
    Den Mittelpunkt bildete ein riesiger, stufenreicher Altar, eine
Tempelplattform, auf der sich alles abspielte. Die Farben des Bildes waren klar
und scharf, und es war fast unvorstellbar, dass es beinahe fünfhundert Jahre
alt sein sollte.
    Die untersten Treppenstufen waren überfüllt von den nackten Leibern
unzähliger Gefangener – Tausende und Abertausende. Auf sie wartete der Tod. Im
Vordergrund standen Priester mit furchterregend bemalten Gesichtern. Die Züge
waren wie mit einem Meißel herausgearbeitet. Tempelgehilfen standen bereit und
zerrten die bedauernswerten Opfer an Armen und Beinen über die blutgetränkten
Altarsteine. Priester öffneten die Brust der Verlorenen, zerrten das Herz
heraus und warfen es in die bereits überquellenden Schalen. Die Tempelgehilfen
gossen dem weitaufgerissenen Maul des Huitzilopochtli das heiße Blut in den
Rachen.
    Huitzilopochtli – seine schwarze, granitene Fratze nahm die linke Hälfte
des schauerlichen Bildes ein. Der Rachen dampfte von der Wärme des Blutes, das
auch auf den Gewändern der Priester und Tempelgehilfen triefte.
    Über Nicoles Lippen kam ein erschreckter Ausruf. Sie wandte sich ab und
schlug die Hände vor das Gesicht. Es würgte sie.
    »Ein Bild, das offenbar einen Tatsachenbericht wiedergibt«, kommentierte
Sandos wie aus weiter Ferne. Seine Stimme klang belegt.
    »Wir wissen heute, dass die Azteken in grauer Vorzeit ähnliche Götzenorgien
feierten. Sie schlachteten Gefangene in Massen und opferten das Blut ihrem
scheußlichen Gott Huitzilopochtli.« Die Erregung in seiner Stimme war nicht zu
überhören. Auch Nicole konnte sich der Macht der Szenen kaum widersetzen. Sie
stand wie zur Salzsäule erstarrt auf einer Stelle, unfähig, sich zu rühren und
glaubte, in diesem Augenblick Zeuge von Ereignissen zu sein, selbst an dem
unheimlichen, furchterregenden, grausigen Geschehen teilzunehmen. Das Bild war
zwingend, die Farben klar und echt, die Gestalten scharf herausgearbeitet, so
dass es schien, als seien sie von einem geheimnisvollen Leben erfüllt und
würden nur den Atem anhalten. Sie hörte förmlich das Geschrei der Opfer. Der
Gestank von Tod und Verwesung lag in der Luft.
    Sie schrie auf, als sie kalte Hände auf ihrer dünnen Bluse spürte.
    »Was fühlen Sie, Nicole?« Sandos' Stimme bebte und klang – fremd.
    »Senken Sie nicht den Blick, schauen Sie sich das Bild an! Genau, werden
Sie sich klar über Ihre Gefühle!« Er schob sie nach vorn, und sie wehrte sich
nicht. Es war, als ob ein geheimnisvolles Gift ihren Willen lähme.
    Sie merkte, dass sie etwas sagte, aber sie begriff den Sinn der Worte
nicht.
    »Ein Bericht aus der Vergangenheit, und doch steht er vor uns, als wäre er
erst vor einer Stunde mit frischer Farbe gemalt worden.« Sandos schluckte. Sie
hörte seine Worte wie unter einem heftigen Rauschen, als würde ihm ein
ungeheurer Orkan die Worte von den Lippen reißen und davontragen. »Lebensnah,
Nicole. Können Sie sich das vorstellen? Wir sehen die Dinge wie von einem
Fenster aus.«
    »Das Blut – ich rieche es!« Sie kannte ihre Stimme nicht wieder. »Die
Menschen ... der Priester ... vorn der Priester, seine graugrüne Schminke ...
sie verzerrt sein Antlitz ... er tötet wie eine Maschine.«
    Und dann schrie sie auf und warf sich ruckartig herum. Der Revolver entfiel
ihren verkrampften Händen, die plötzlich wie Stahlzangen um seinen Hals lagen.
    Sie drückte zu, atmete schwer und schrie immer noch wie von Sinnen. Sandos
handelte! Seine Arme kamen hoch. Es gelang ihm, den tödlichen Griff um seine
Kehle zu lockern. Und dann schlug er zu – hart und gezielt.
    Nicole stand sekundenlang kerzengerade vor ihm, ehe sie langsam in die Knie
sackte. Die junge Französin lag auf dem Boden – reglos dahingestreckt wie eines
der Opfer auf den bluttriefenden Altarsteinen vor dem grausigen schwarzen
Antlitz des Blutgottes.
     
    ●
     
    Man sah ihm die Müdigkeit an. Er hatte seit über dreißig Stunden kein Auge
geschlossen.
    Fernand Rekon saß hinter seinem Schreibtisch.
    Der Morgen graute bereits. Der Himmel war klar und frisch, und alles in
allem schien sich ein sonniger Tag anzubahnen.
    Fernand Rekons Gesicht wirkte grau und schlaff. Er hatte eine schlechte
Haut, und die Krähenfüße unter seinen Augen traten schärfer hervor, als dies
sonst der Fall war.
    Der Kommissar studierte die Berichte, die ihm von den

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