010 - Die Bestie mit den Bluthänden
Gegenüber an.
»Jean-Claude Feydeau sieht einer schwarzen Zukunft entgegen. Jetzt wird die
Anklage nicht mehr Entführung und Irreführung lauten, sondern klipp und klar
auf Mord, zumindest auf Totschlag! Und nun wieder zu uns, Kommissar. Sie haben
eine Menge dicker Akten hier herumstehen, die sich mit den merkwürdigen Morden
befassen. Berichten Sie mir darüber, das erspart mir das zeitraubende Lesen!
Vielleicht wissen Sie zufällig auch etwas über einen gewissen Henri Blandeau.
Er soll Privatgelehrter sein. Nach Meldungen durch einen Mittelsmann steht
fest, dass Mike Burton zu Blandeau Kontakte hatte. Er vermutete offensichtlich,
dass Blandeau etwas über einen der Toten hätte aussagen können.«
»Blandeau? Natürlich kenne ich diesen Mann.«
»Erzählen Sie mir alles, Kommissar! Fragen richte ich später an Sie. Ich
habe das Gefühl, dass wir ein sehr fruchtbares Gespräch haben werden.«
●
Als sie die Augen öffnete, blickte sie gegen die weiße Decke.
Sie brauchte einige Minuten, um zu begreifen, dass bereits helles
Tageslicht durch die Fenstervorhänge drang. Blitzschnell setzte sie sich
aufrecht. Erstaunt bemerkte sie, dass sie nur mit ihrer Unterwäsche bekleidet
war. Sie trug einen türkisfarbenen BH und einen knappen, dazu passenden Slip.
Nicoles Schädel brummte, als hätte sich ein Hornissenschwarm darin verirrt.
Sie rümpfte die Nase. Es roch nach Alkohol. Sie sah die beiden leeren Flaschen
auf dem kleinen Tisch neben dem Fenster und zwei Gläser.
Nicole fasste sich an die Stirn. Sie hatte Besuch gehabt und getrunken? Mit
wem?
Aus der Tiefe ihres Bewusstseins stieg eine Stimme auf, und sie glaubte sie
zu erkennen. Es war die Stimme von Dr. Sandos. Hatte sie mit ihm gesprochen?
Mit ihm getrunken? Sie konnte sich beim besten Willen an nichts mehr erinnern.
Ihre Blicke schweiften über die Flaschen und Gläser.
Die Ginflasche war leer, zwei Rotweinflaschen ebenfalls. Nicole schüttelte
den Kopf.
Mit einem leisen Aufschrei warf sie beinahe ruckartig ihren Kopf herum und
starrte auf die kleine elektrische Uhr auf ihrem Nachttisch.
Wenige Minuten vor neun!
Sie hätte schon vor über einer Stunde im Büro sein müssen, um die
Vorbereitungen zu treffen. Was würde Dr. Sandos sagen, wenn er kam? Vielleicht
hatte er ihre Abwesenheit auch schon bemerkt! Mein Gott, die Neue kam heute!
Kitty Dandrell! Sie musste sofort ins Büro!
Wie der Blitz sprang sie aus dem Bett, warf den BH auf die Decke, zog den
Slip herunter und sprang leichtfüßig in das Bad. Sekunden später rauschte die
Dusche. Nicole brauste sich eiskalt ab. Das tat gut. Mit einem rauen Handtuch
rieb sie sich trocken.
Bevor sie sich ankleidete, legte sie ein gepflegtes Make-up auf. Dazu nahm
sie sich noch die Zeit, obwohl jetzt jede Minute kostbar war.
Da klopfte es an die Tür.
»Nicole?« fragte eine Stimme. Es war Dr. Sandos.
»Einen Augenblick bitte, Doktor! Ich öffne sofort!« wollte sie sagen. Doch
da öffnete sich bereits die Tür.
Erst als die Gestalt im weißen Kittel auf der Türschwelle auftauchte, wurde
Nicole bewusst, dass sie praktisch nichts am Leibe trug. Mit einem leisen
Aufschrei wirbelte sie herum, riss das Negligé vom Haken an der Seite des
Kleiderschrankes und hielt das durchsichtige Gewand vor ihre Blöße.
Dr. Sandos schien alles andere als ein Kavalier zu sein. Er hielt es nicht
für notwendig, überrascht den Rückzug anzutreten.
»Guten Morgen, Nicole«, sagte er lächelnd, während er auf sie zuging. »Du
siehst wieder verführerisch aus. Wie letzte Nacht!« Mit diesen Worten nahm er
ihr den ganzen Wind aus den Segeln.
»Letzte Nacht?« fragte sie kaum hörbar. »Was war in der letzten Nacht?«
»Du warst wunderbar, Nicole!«
Sandos zog sie an sich, küsste sie, und sie erwiderte den Kuss. Das Negligé,
das sowieso mehr zeigte, als es verdecken sollte, entglitt ihren Fingern. Sie
machte sich nicht die Mühe, es wieder aufzuheben.
Sie küsste den Mann, den sie liebte. Wie lange hatte sie darauf gewartet.
Die Nähe von Sandos gab ihr Ruhe und Sicherheit. Und mit dem Kuss schien ganz
langsam die Erinnerung wieder einzusetzen.
Letzte Nacht! Die Bilder stiegen vor ihrem geistigen Auge auf. Sie hatten
miteinander geplaudert, getrunken – sie hatten sich geliebt! Nicole empfand
keine Scheu, keine Scham.
»Ich wollte sehen, wie es dir geht. Offenbar hast du einen kleinen Kater.«
Sandos löste sich langsam von ihr. Seine Hände streichelten ihren Nacken, ihre
Schultern, ihre Brust.
»Ich
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