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010 - Die Bestie mit den Bluthänden

010 - Die Bestie mit den Bluthänden

Titel: 010 - Die Bestie mit den Bluthänden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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wusste nicht,
wie lange seine eigenartige Bewusstlosigkeit gedauert hatte. Die Visionen, die
ihn bedrängt hatten, waren verschwunden. Er konnte sich an nichts mehr
erinnern. Eine eigenartige Leere war da in seinem Gehirn, in seiner Erinnerung
klaffte ein großes, gähnendes Loch.
    Er machte sich auch nicht die Mühe, den Dingen näher auf den Grund zu
gehen. Ihm fehlte die Kraft dazu. Das, was vorhin geschehen war, zeigte, dass
er am Ende seiner körperlichen Reserven war. Er hatte einen Kreislaufkollaps
erlitten und war völlig erschöpft. Sandos brauchte dringend Ruhe, Erholung,
aber er würde sie nicht eher finden, bis das geklärt war, was er suchte – bis
er die Lösung hatte.
    Es war, als ob er einem Phantom nachjage. Manchmal glaubte er, alles zu
verstehen, alles zu begreifen, alles war kristallklar – und eine Sekunde später
stellte er die Dinge wieder in Frage und war genauso weit wie am Anfang seiner
Überlegungen. Es war, als ob das unheimliche Bild sein Geheimnis für alle
Zeiten festhalte. Nur einer konnte wahrscheinlich eine Erklärung abgeben. Aber
dieser Jemand …
    Sandos glaubte mit einem Mal den Wald voller Geräusche. Irgendwo aus dem
Dunkel und zwischen dem Säuseln des Windes ertönte ein leiser, unterdrückter
Aufschrei, der in der Finsternis rasch verebbte. Sandos achtete nicht darauf.
Er erlebte die Dinge wie in einem Traum. Sie waren nicht wirklich, nicht
fassbar für ihn. Es schien ihm, dass seine Sinne durch den vorangegangenen
Schwächeanfall noch nicht einwandfrei funktionierten. In seinen Ohren rauschte
es, und mit seinen Augen empfing er nur verwaschene Bilder.
    Er sah die düsteren Umrisse des alten Hauses vor sich. Schon suchte seine
Rechte den Eisenring, um gegen den eingelassenen, eisernen Menschenkopf zu
schlagen.
    Da erstarrte er in der Bewegung.
    Die Tür war nicht verschlossen. Sie war nur angelehnt. Quietschend bewegte
sie sich in den Angeln.
    Sekundenlang bewegte sich Sandos nicht. Er fühlte, wie diese eigentümliche
Schwäche wieder von ihm Besitz ergreifen wollte, wie er sich an der Wand
abstützen musste, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
    Sein Atem ging keuchend, seine Lungen rasselten, und in seinen Augen
fieberte ein eigenwilliges, unheimliches Licht. Dieser Mann stand an der Grenze
zum Wahnsinn.
    Er hatte seinen Körper und seinen Geist überfordert. Es bedurfte nur noch
eines winzigen Anstoßes, um ihn in die geistige Umnachtung zu stürzen.
    Der Schwindelanfall ging vorüber, Sandos atmete tief die milde, würzige
Waldluft ein und bemühte sich, die Herrschaft über seine Muskeln und seine
Gedanken wiederzugewinnen.
    Es bereitete ihm unsagbare Mühe, die schwere Tür vollends aufzudrücken.
    Henri Blandeau hatte nicht abgeschlossen? Er war nicht im Haus? Alles war
dunkel, so schwarz wie die Nacht um ihn herum.
    Erst in diesem Augenblick schienen seine Tastsinne wieder voll
leistungsfähig zu werden. Er fühlte die klebrige Flüssigkeit auf seinen
Fingern. Er führte die Hand vor Augen, sah die dunklen Flecken und Streifen auf
seiner rechten Hand und entdeckte die gleichen dunklen Spuren an der massiven
Tür.
    Blut?!
    Ein leiser, ungewollter Aufschrei entrann seinen Lippen.
    Wo kam das Blut her? Ein furchtbarer Verdacht stieg in ihm auf, doch er
fand nicht mehr die Kraft, seine Gedanken so logisch zu ordnen und zu steuern,
um die auf ihn einstürzenden Gefühle beherrschen zu können.
    Er stürzte wie ein Tier in den finsteren Gang hinein. Die Umrisse der
Masken und Schilde, der Skulpturen und Vasen schälten sich kaum merklich aus
dem Dunkel.
    Seine Hand tastete nach dem Lichtschalter. Die schwache Deckenleuchte
glühte auf und tauchte die fratzenhaft gestalteten Masken in ein gespenstisches
Licht.
    Sandos riss mehrere Türen auf. Seine Hände zitterten.
    »Blandeau?! Blandeau?!« Seine verlorene Stimme hallte durch die Zimmer und
Räume und stieg bis unter das Dach. Keine Antwort!
    War niemand im Haus?
    Die dicken Teppiche auf dem Boden schluckten seine Schritte, als er sich
jetzt dem Treppenaufbau näherte, um ihn herumging und seine Rechte kurz
entschlossen auf die Klinke legte. Ob Blandeau unten im Raum bei dem
teuflischen Bild war?
    War irgendetwas Besonderes geschehen, dass er darüber sogar vergessen
hatte, die Haustür abzuschließen?
    Erregung trieb Sandos vorwärts. Er ging um die Gestalt des
brückenschlagenden Chacmool herum. Die Fackeln in den eisernen Halterungen
fehlten. Sie waren an diesem Tag offensichtlich nicht ergänzt worden.

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