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010 - Skandal in Waverly Hall

010 - Skandal in Waverly Hall

Titel: 010 - Skandal in Waverly Hall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brenda Joyce
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Trauergäste auf dem Friedhof versammelt. Der niedere Adel, die Landjunker und Pächter standen Seite an Seite mit Herzögen und Grafen. Dahinter drängte sich die ganze Dorfbevölkerung von Dulton: Bäcker, Fleischer und Tischler, Milchmädchen und Schafhirten. Niemand war aus Zuneigung zu dem verstorbenen Marquess erschienen, der die meiste Zeit seines Lebens an exotischen Orten außer Landes verbracht hatte. Manche kamen aus Respekt, alle aus Pflichtgefühl - Pflichtgefühl gegenüber Waverly und dem Vater des Marquess, dem Duke of Rutherford. Selbst die Königin hatte ihr Beileid bekundet.
    Alle fanden es seltsam, daß Philip bestimmt hatte, auf dem Lande bei Waverly Hall beigesetzt zu werden und nicht im Mausoleum von Rutherford House, inmitten seiner zahlreichen berühmten Vorfahren.
    Anne gab sich große Mühe, den alten Herzog zu trösten, der die letzten Jahre ihre größte Stütze gewesen war. Sie legte den Arm um ihn, während er den Tod seines einzigen Kindes beweinte. Philip St. Georges hatte ihr nie besonders nahegestanden, seinen Vater mochte sie dagegen sehr. Sein Kummer ging ihr tief zu Herzen, und ihr Blick verschwamm, als sich die Leichenträger mit dem Sarg auf den Schultern näherten.
    Sie hatte bisher nur einmal an einer Beerdigung teilgenommen, der ihres Vaters, als sie zehn Jahre gewesen war. Sie erinnerte sich noch gut an ihren Schmerz und ihren Kummer. Das Begräbnis war völlig anders verlaufen als dieses. Ihr Vater war ein zielloser, mittelloser Träumer gewesen. Außer ihr hatte nur eine Handvoll Nachbarn, die sie nicht kannte, der schlichten Zeremonie in Boston beigewohnt. Eine Familie hatte sie nicht gehabt. Einzig der Prediger war mit ans Grab gekommen. Kurz darauf hatte sie Amerika für immer verlassen.
    Anne faßte den Arm des Herzogs fester und warf einen verstohlenen Blick in sein gramverzerrtes Gesicht. Rutherford tat ihr furchtbar leid, und sie hätte seinen Schmerz gern gelindert. In den letzten vier Jahren hatte sie ihn sehr liebgewonnen.
    Philips Gattin warf eine einzelne weiße Nelke in das Grab. Ciarisses Gesicht war leichenblaß. Ihre blauen Augen glänzten vor Tränen, doch sie hielt sich aufrecht wie immer. Niemand ging zu ihr, um sie zu trösten. Keiner wagte es. Auch Anne nicht, obwohl sie es trotz der Differenzen zwischen ihnen beiden gern getan hätte.
    Erde fiel auf den Sarg hinab.
    Die Menge wurde unruhig. Vor Ungeduld oder aus einem anderen Grund? Anne war es gleichgültig. Am liebsten hätte sie die anderen nicht beachtet, wie all die Jahre.
    Doch weil sie an der Seite des alten Herzogs stand, war es ihr nicht möglich. Die Dörfler, die in der schlimmsten Zeit ihres Lebens über sie gelacht hatten und sie verurteilten, die feine Gesellschaft, die über sie klatschte und sie niemals einlud, Mitglieder des Hochadels, mit denen sie bisher kein einziges Mal zusammengetroffen war, weil sie sich nicht nach London wagte - alle drückten ihr jetzt die Hand und sprachen ihr murmelnd das Beileid aus.
    Fasziniert beobachtete Anne, wie die Trauergäste sich an den alten Herzog wandten.
    Sofort veränderten sich ihre Mienen. Die Dorfbewohner wurden ängstlich, die Pächter ehrfürchtig, wenn auch nervös, und der niedere Adel verhielt sich zurückhaltend. Nur hoher Adel bezeugte seine Achtung und nahm offen Anteil an dem Leid des Herzogs. Viele seiner Standesgenossen umarmten Rutherford herzlich.
    Einige der Trauergemeinde traten unbehaglich von einem Fuß auf den anderen. Das allgemeine Murmeln schwoll an, und die ersten Köpfe drehten sich um. Aus Neugier? Anne bemerkte es und folgte den Blicken der Leute.
    Einen Moment hatte sie das Gefühl, die Welt um sie herum würde versinken.
    Auf einer Anhöhe war die schwarzlackierte Kutsche mit dem gewaltigen silbernen Wappen der Lyons an den Türen aufgetaucht. Vier rassige schwarze Pferde zogen die Karosse. Ein Kutscher in schwarz-silberfarbener Livree hielt die Zügel, und zwei ebenso gekleidete Lakaien standen auf dem Dienertritt. Wenige Augenblicke später hielt das prächtige Gefährt an, und der Wagenschlag wurde aufgerissen.
    Anne rührte sich nicht. Ihr Herz schien stillzustehen.
    Dominick St. Georges stieg aus der Kutsche und blieb stehen. Beim Anblick seiner hohen, schlanken Gestalt begann Anne zu zittern.
    Dominick hatte den Kopf entblößt und in die Höhe gereckt. Seine Schultern schienen noch breiter und seine Beine noch länger zu sein, als sie sich erinnerte. Er war zu weit entfernt, um seine Züge deutlich

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