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0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte

0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte

Titel: 0100 - Der Mann, der uns ins Handwerk pfuschte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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legte keinen Wert darauf, ihn zu sehen, aber er kam in mein Büro, sobald er ein freier Mann war.
    Seinen Arm trug er noch in einer Schlinge, obwohl sich seine Wunde als nicht sehr schwer herausgestellt hatte, ein glatter Oberarmdurchschuß.
    »Wenn Sie gekommen sind, um Ihre Kanone abzuholen, so werden Sie eine Enttäuschung erleben«, erklärte ich ihm, sobald er das Zimmer betreten hatte. »Das Ding ist beschlagnahmt.«
    »Deswegen bin ich nicht gekommen«, antwortete er leise. »Ich… ich wollte mich mit Ihnen wieder vertragen, G-man.«
    »Hören Sie mal zu, Harper«, sagte ich und stand auf. »Die Meinung eines Richters muß nicht unbedingt die Meinung eines G-mans sein, aber auch wenn ich annehme, daß der Richter recht hat und sie nichts weiter sind als ein leichtsinniges Huhn, dann kann ich dennoch nicht vergessen, daß Sie mit Ihrem verdammten Leichtsinn zwei Menschen auf dem Gewissen haben. - Glauben Sie nur nicht, das Leben dieser Menschen wöge leichter, weil beide skrupellose Gangster waren. Für mich ist es ein himmelweiter Unterschied, ob ein Gangster, ein Mörder sinnlos und unnötig abgeknallt wird, oder ob ich ihn vor seinen Richter bringen kann. Sie werden das vielleicht nicht verstehen, oder Sie halten es gar für albern, aber das Bewußtsein dieses Unterschiedes macht uns zu G-men, die dem Gesetze dienen. Sonst würden wir zu Schießern, die sich von der anderen Seite nur dadurch unterscheiden, daß sie mit der Genehmigung des Staates töten dürfen. - Leben Sie wohl, Harper!«
    Er wollte noch etwas sagen, drehte sich dann doch um und ging zur Tür. Als er sie schon geöffnet hatte, sagte ich:
    »Übrigens habe ich beantragt, daß Ihnen die Detektivlizenz entzogen wird. Leider dauert es vierzehn Tage, bis ein solcher Antrag entschieden wird. Sehen Sie sich immerhin nach einem anderen Broterwerb um.«
    Er reagierte nicht, sondern ging still hinaus.
    ***
    Unter den Hunderttausenden von Telefongesprächen, die jeden Morgen in New York geführt werden, war eines, das sich mit Roger Harper befaßte. Ein Mann rief einen anderen Mann an.
    »Der Detektiv ist freigelassen worden.«
    »Desto besser für uns. Es ist noch einmal gut abgegangen, wenn es auch nicht so gelaufen ist, wie wir es uns vorgestellt haben. Hilton wurde zwei Tage zu früh umgelegt. Von mir aus hätte er auch noch acht Tage leben können. Jetzt müssen wir die Schmutzarbeit in eigener Regie durchführen.«
    »Das ist doch nicht wichtig. Hauptsache, wir haben Hiltons und Bodges Organisationen fest in der Hand.«
    »Es ist wichtig. Es ist so wichtig, wie der Unterschied zwischen ein paar Jahren Gefängnis und dem elektrischen Stuhl.«
    »Das gilt nur für den Fall, daß es schief geht.«
    »Also darf nichts schief gehen. — Das Schiff kommt heute.«
    »Ich weiß. Um Mitternacht sind wir am Pier 158. Die Laster sind organisiert.«
    »Vergiß nicht, daß nur die Hilton-Leute den Aufenthaltsort der Ware kennen dürfen. Die Bodge-Boys sind nicht zuverlässig genug.«
    »Keine Sorge; es geht alles in Ordnung. Aber warum sprichst du von Hilton und Bodge-Männem? Sie gehören doch jetzt alle zu einer Gang…«
    ***
    Pier 158 ist der letzte Pier auf der Hudson-Seite, und er ist der überflüssigste Pier des ganzen New Yorker Hafensystems. Als die Energieversorgung der Riesenstadt noch zu hundert Prozent durch Kohle gesichert wurde, da gehörte Pier 158 zu den Anlagekais für die Kohlenfrachter. Damals war es interessant, die Piers zum Ausladen zu benutzen, die möglichst weit den Hudson hinauf und damit dem Stadtzentrum näher lagen.
    Seit Elektrizität und Heizöl der Kohle den Rang abgelaufen haben, ist Pier 158 so gut wie verwaist. Als Kohlepier verfügt er über keine Lagerhallen, die für die Verladung anderer Güter erforderlich sind. Der Pier verfällt, und nur hin und wieder wird er von einem Dampfer voll Chilesalpeter oder irgendwelchen Chemikalien angelaufen.
    Pier 158 kennt daher keinen Nachtbetrieb. Am Abend werden die Gitter zur Einfahrt geschlossen. Nur drei Leute befinden sich vom Einbruch der Dunkelheit an auf dem Piergelände: Beamte der Wasserpolizei. Zweihundert Schritt vom Piereingang entfernt verfügen sie über ein kleines, einzimmeriges Holzhaus, das mit ein paar Pritschen, einem Tisch und wenigen Stühlen für den Nachtdienst eingerichtet ist.
    Die Männer, die in dieser Nacht den Dienst versahen, kannten sich seit langem, denn trotz des wechselnden Turnus kam es immer wieder vor, daß sie sich beim Dienst trafen. Obwohl

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