0100 - Die Drohung
Raben.
Er war nicht weggeflogen, sondern stand mit flatternden Flügeln über dem Friedhof in der Luft.
Der Tyrannosaurier warf den Kopf hoch, die Kiefer klappten zu, um den Raben zu verschlingen.
Geschickt wich das Tier aus.
Die Hauer verfehlten ihn.
Das machte die Bestie noch wütender. Wild fuhr sie herum. Der lange Schwanz hob sich vom Boden ab, fuhr wie eine gewaltige Sense über den Friedhof, und die Wissenschaftler sahen ihn dicht vor sich.
Art Cornwall schaffte es nicht mehr, in Deckung zu gehen. Während Sven flach am Boden lag, wurde er gestreift.
Es war ein gewaltiger Hieb, der Art herumwarf und wie ein Stück Papier wegschleuderte. Er prallte zu Boden, überschlug sich ein paarmal und blieb still liegen.
»Art!« schrie Sven, doch sein Kollege hörte nicht. Er war entweder bewußtlos oder tot.
Da stieß der Rabe nach unten. Genau in dem Augenblick, als sich der Saurier dem Bewußtlosen zuwenden wollte, um ihn zu verschlingen.
Sven bekam alles mit. Für ihn war es wie ein Alptraum. Er sah allerdings auch, daß der Rabe nicht nur die Funktion des Wächters besaß, sondern auch die des Beschützers.
Der Vogel attackierte den gefährlichen Saurier!
Und er war schnell und wendig. Vergleichbar war der Kampf David gegen Goliath. Obwohl der Vogel eine übernormale Größe besaß, konnte er eigentlich gegen den Saurier nichts ausrichten. Ein Prankenschlag würde ihn zerfetzen.
Der Rabe stellte es schlau an.
Dicht vor dem aufgerissenen Kiefer des Sauriers zog er seine Kreise. Immer wieder schnappten die Zähne zu, und jedesmal verfehlten sie den Vogel.
Die glühenden Augen des Raben waren huschende rote Punkte, wenn er hin- und herflatterte. Obwohl der Wissenschaftler sich in Todesnot befand, faszinierte ihn dieser Kampf.
Abermals flog der Vogel einen Angriff. Er schien direkt in das aufgerissene Maul hineinzufallen, so sah es jedenfalls aus, doch bevor die Zähne ihn zermalmen konnten, stieg er hoch.
Wieder schnappten die Kiefer ins Leere.
Der Rabe ließ sich fallen. Er landete direkt auf dem Maul der Bestie, dicht unter dem Auge.
Und dann hackte er zu.
Nicht nur sein Körper war um das fünffache gewachsen, der Schnabel natürlich auch. Und mit dessen Spitze schlug er in das Auge des Sauriers.
Das Ungeheuer drehte durch.
Es stieß ein Brüllen aus, wie Sven es noch nie gehört hatte. Wild warf es den Schädel hin und her. Der Schwanz peitschte in die Höhe, krachte zu Boden, wurde weitergerissen und fetzte dort eine tiefe Furche in die Erde.
Dickes Blut quoll aus dem Auge, das der Rabe zerstört hatte.
Der Vogel war wieder in die Höhe geflogen. Er schwebte über dem tobenden Ungeheuer und lauerte auf eine Chance, erneut angreifen zu können.
Die Bestie tobte sich aus.
Sie rollte und wand sich am Boden, stieß grollende, fauchende Laute aus. Das Gebrüll übertönte sogar noch das Donnern eines Erdbebens, ein Teil der Grabsteine wurde hinweggefegt wie lose Papierblätter.
Auch krachte das Schwanzende gegen die kleine, brüchige Mauer. Was noch stehengeblieben war, rasierte die Bestie fast alles weg.
Sven robbte zurück. Ein Stein traf ihn an der Schulter, ein anderer im Genick. Der letzte riß die Haut auf, und der Norweger spürte das Blut aus der Wunde rinnen.
Große Angst hatte er um seinen Kollegen. Art Cornwall lag leblos inmitten des Friedhofes. Wie durch ein Wunder war er von dem rasenden Ungeheuer noch nicht zertrampelt worden.
Der erste Schmerz war abgeklungen, und der Tyrannosaurus beruhigte sich wieder.
Doch er war in seiner Sehkraft behindert. Auch das räumliche Sehen fiel zur Hälfte aus. Er mußte seinen mächtigen Schädel drehen, wenn er nach rechts schauen wollte, denn das Auge hatte ihm der Vogel ausgehackt.
Der Rabe lauerte auf seine nächste Chance.
Mit ausgebreiteten Flügeln schwebte er über der Bestie. Er hatte den Schnabel aufgerissen, und ein triumphierendes Krächzen drang aus seinem Maul.
Eiskalt wartete der Vogel den nächsten Angriff ab.
Sven Jansson hatte sich wieder aufgestützt. Er hockte auf den Knien, schaute über die noch stehengebliebenen Reste der Mauer hinweg und wollte mitbekommen, was der Rabe anstellte.
Er griff an.
Kam schräg von rechts, so daß die Bestie ihn nicht sehen konnte.
Und als sie ihn sah, war es zu spät. Da hackte der Schnabel bereits in das Auge des Sauriers.
Einmal, zweimal…
Das Ungeheuer warf den Kopf hoch, der Schwanz fuhr ebenfalls in die Höhe und peitschte nach vorn, über den Körper des Sauriers hinweg,
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