0100 - Die Schule der Dämonen
zum Telefon und bat die Rezeption um eine Karte von Frankreich. Das Roi wurde seinem Ruf, ein Hotel zu sein, in dem man alles für die Gäste tat, gerecht. Wenige Minuten später schon brachte ein Page einen Autoatlas.
Nicole brauchte nicht lange, um Limaux zu lokalisieren.
»Ein kleines Städtchen in der Nähe von Epernay«, ließ sie Zamorra wissen.
Der Professor sprang von seinem Sessel hoch. »Epernay? Das liegt doch in der Champagne, nicht?«
»Richtig.«
»Na also! Erinnerst du dich an das, was die Hausmeisterin gesagt hat? D’Avallon wollte in das Land fahren, wo der Champagner fließt. Damit dürfte alles klar sein. André d’Avallon ist bestimmt nach Limaux gefahren. Die Dämonen wollten nicht, daß wir das herausfinden. Deshalb haben sie den Brief gestohlen. Sie haben lediglich nicht mit deinem guten Gedächtnis gerechnet.«
Trotz des Kompliments sah Nicole nicht zufrieden aus. »So gut ist mein Gedächtnis gar nicht«, wehrte sie ab. »Der Name des Absenders fällt mir nach wie vor nicht ein.«
»Ist vielleicht gar nicht so tragisch«, beschwichtigte Zamorra und setzte sich wieder. »Wir werden nochmals in d’Avallons Wohnung fahren. Wäre doch möglich, daß es noch andere Korrespondenz mit diesem Freund in Limaux gibt. Und wenn nicht, dann fahren wir einfach aufs Geratewohl nach Limaux. Hauptsache ist, wir wissen jetzt, wo wir zu suchen haben.«
Er erhob sich wieder von seinem Sessel. »Aber nicht mehr heute. Morgen ist auch noch ein Tag. Was hältst du jetzt von einem saftigen Châteaubriand mit Sauce Béarnaise?«
Nicole hielt sehr viel davon.
***
Stunden später…
Zamorra und Nicole lagen im Bett. Nicole schlief bereits. Ein stilles Lächeln lag auf ihrem Gesicht — Erinnerung an den Abend, der mit dem Châteaubriand noch nicht zu Ende gewesen war.
Auch der Professor hatte die Schwelle zum Reich des Schlafgottes schon fast überschritten, als das Zimmertelefon auf seinem Nachttisch leise, aber unüberhörbar lossummte.
Sofort war Zamorra wieder hellwach. Er griff nach dem Hörer und meldete sich.
Der Nachtportier des Roi war am Apparat. »Monsieur le Professeur? Bitte entschuldigen Sie die Störung. Aber hier ist ein Herr bei mir, der unbedingt noch mit Ihnen sprechen möchte.«
»Was denn«, beschwerte sich der Professor. »Mitten in der Nacht? Der Mann soll morgen wiederkommen.«
»Das habe ich ihm auch geraten«, sagte der Hotelangestellte. »Aber der Herr meinte, es sei sehr wichtig. Es geht um einen Monsieur d’Avallon.«
Die Nachricht elektrisierte den Parapsychologen förmlich. »Geben Sie mir den Herrn mal an den Apparat«, forderte er den Nachtportier auf.
»Einen Augenblick bitte, Monsieur.«
Zamorra hörte Stimmengemurmel, das undeutlich aus der Muschel drang. Dann kam der Portier wieder.
»Monsieur le Professeur? Der Herr meint, das, was er mit Ihnen zu besprechen hätte, sei kein Thema für das Telefon. Er bittet Sie, nach unten zu kommen.«
Der Professor schwang bereits die Beine aus dem Bett.
»Bon, ich komme«, teilte er dem Rezeptionisten mit. »Äh, sagen Sie eins — der Mann, der mich sprechen will… Es handelt sich nicht zufällig um einen Gendarmen?«
Zamorras leiser Verdacht, daß sich einer der Dämonen in Polizistengestalt an ihn heranmachen wollte, bestätigte sich nicht. Der Portier teilte ihm mit, daß es sich bei dem Besucher um einen distinguiert aussehenden älteren Mann handelte.
Leise kleidete sich der Professor an. Nicole wurde nicht wach. Sie schlief wie immer tief und fest und wäre nur durch eine mittelstarke Bombenexplosion hochzuschrecken gewesen.
Zamorra schlüpfte aus dem Zimmer und fuhr mit dem Aufzug hinunter ins Erdgeschoß.
Es war sehr ruhig im Hotel. Zamorra sah keinen anderen Hotelgast. Nur aus der Bar klangen noch gedämpfte Stimmen herüber. Auch in der Empfangshalle hielt sich niemand auf. Außer dem Angestellten hinter der Rezeption.
Der Professor trat auf den Mann zu und blickte ihn fragend an. »Na, wo ist denn der Störenfried? Er wird doch nicht nach Hause gegangen sein?«
»Nein, Monsieur le Professeur«, sagte der Nachtportier. »Der Herr wartet drüben in der Coeur Noir-Bar auf Sie.«
»Danke.«
Während Zamorra die Hotelhalle durchquerte, fragte er sich, was der ganze geheimnisvolle Quatsch sollte. Wer war der Mann, der ihn aus dem Bett geholt hatte? Und warum wartete er beispielsweise nicht in der Hotelbar, sondern in einem fremden Lokal? Irgend etwas war faul an der Sache, das hatte er ganz sicher im
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