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0100 - Die Schule der Dämonen

0100 - Die Schule der Dämonen

Titel: 0100 - Die Schule der Dämonen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Abend.«
    ***
    Zamorra und Nicole gingen zunächst zurück auf ihre Zimmer. Nicole pflegte im Badezimmer die Kratzer, die ihr die Serviererin zugefügt hatte. Dann kleidete sie sich neu an und band ihr Haar auch wieder zusammen. Der Professor paßte unterdessen auf, daß niemand kam, um irgendwelche Rachegelüste zu befriedigen.
    Es kam niemand. Ungehindert konnten die beiden eine Weile später das Hotel verlassen. Auch draußen vor der Tür lauerte niemand.
    »Scheint, daß sie die Nase voll haben«, stellte Zamorra mit Befriedigung fest.
    Nicoles Zufriedenheit hielt sich in Grenzen. Sie betrauerte immer noch den Verlust ihrer Handtasche. Aber sie sah ein, daß es kaum möglich sein würde, sie der Serviererin wieder abzunehmen. Zamorra hatte recht. Sie hätte besser auf ihr Eigentum achtgeben sollen.
    Der Appetit war ihnen eigentlich beiden vergangen. Sie beschlossen, das Abendessen zunächst zu verschieben. Statt dessen wollten sie der Rue Emile Zola Nummer 26 einen Besuch abstatten. Zu Fuß.
    In der näheren Umgebung des Hotels war es auf der Straße ziemlich ruhig. Nur vereinzelte Passanten ließen sich blicken. Limaux schlief aber keineswegs. Aus einiger Entfernung drang eine eigenartige Geräuschkulisse an ihre Ohren. Beinahe orgiastische Schreie, Musik, Gesang…
    Sie gingen in die Richtung, die ihnen die Serviererin beschrieben hatte. Musik, Gesang und Geschrei wurden immer lauter. Sie schienen genau auf die Ursprungsquelle zuzugehen.
    So war es. Die lautstarken Ereignisse spielten sich auf dem Marktplatz ab.
    Schon von weitem konnten Zamorra und Nicole die große Menschenmenge sehen, die sich weiter vorne zusammendrängte. Einzelheiten waren jedoch noch nicht zu erkennen. Erst als sie näher herankamen, schälten sich Bildausschnitte heraus.
    Bildausschnitte, die in ein antikes Mosaik zu gehören schienen!
    Verrückt gekleidete Menschen, Männer, Frauen und Kinder, tanzten ekstatisch umher. Sie hatten weiße Gewänder an, die verdammt nach zusammengestoppelten Bettlaken aussahen, aber auch so absurde Kleidungsstücke wie Fellumhänge und Pelzjacken. Oder aber sie waren ganz einfach nackt, so nackt, wie sie einst als Säuglinge zur Welt gekommen waren. Die meisten von ihnen hatten sich Kränze von Grünzeug umgeschlungen. Efeuranken und Weinreben, wie es schien. Auf einigen Köpfen thronten Kronen, die ebenfalls aus grünen Ranken bestanden.
    Dumpfe Trommelschläge begleiteten chaotische, jede Harmonie vermissen lassende Flöten- und Harfenklänge. Dennoch übten die Töne einen irgendwie faszinierenden, fast magischen Reiz aus, dem sich auch Zamorra und Nicole kaum entziehen konnten.
    Die Menschen von Limaux waren wie verzaubert. Sie tanzten wie die Besessenen und stießen dabei unartikulierte Singlaute aus, die trotz aller Dissonanz zu der abartigen Musik paßten. Zu der überall sichtbaren Ekstase tragen allerdings wohl auch die an verschiedenen Stellen aufgestellten Weinfässer bei, aus denen sich Tänzer und Sänger eifrig bedienten.
    »Was soll das sein?« fragte Nicole. »Ein Winzerfest? Ein bißchen wild, was?«
    Während sie diese Worte sagte, wiegte sie sich in den Hüften und stampfte mit den Füßen. Sie war drauf und dran, sich unter die Leute zu mischen und mitzumachen.
    Zamorra verstand das. Auch ihn kribbelte es. Aber er unterdrückte die verrückten Impulse.
    »Es ist kein normales Winzerfest, Nicole«, beantwortete er ihre Frage. »Sieh mal da — in der Mitte!«
    Er meinte den Springbrunnen, um den die Menschen herumtanzten. Die erhöht stehende Brunnenfigur im Zentrum stellte nicht das übliche Männeken Pis oder ein wasserspeiendes Tier dar. Es war vielmehr eine Männergestalt. Allerdings versehen mit einem Ziegenbockschädel und einem Schwanz.
    Ein geheimnisvolles Leuchten ging von der Gestalt aus. Sie schien von innen heraus zu glühen, so als würde in ihr ein waberndes Feuer lodern.
    »Das soll Dionysos sein, nicht?« meinte Nicole.
    Der Professor nickte. »Dionysos oder Bacchus, wie ihn die Römer nannten. Sieht ziemlich echt aus. Wenn er sich bewegen würde, könnte man auf den Gedanken kommen, daß es sich um einen Dämon handelt.«
    »Du meinst…«
    »Nein, nein«, wehrte Zamorra ab, »es ist kein Dämon. Nur eine Statue.«
    »Die Leute scheinen das anders zu sehen. Hör mal genau auf diesen Singsang. In meinen Ohren klingt das wie ein Gebet,«
    Der Professor lauschte. Und tatsächlich, es war einiges dran an dem, was Nicole gesagt hatte. Wenn man ganz genau hinhörte, ließen

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