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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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vorsichtig gesetzt hatte. Natürlich ganz vorne ins Boot, wo sie am weitesten von der Alten entfernt war. Ihm überließ sie großzügig den knappen Platz in der Mitte. Zamorra verstaute seine langen Beine, setzte sich jedoch so, daß er der seltsamen Fährfrau ins runzlige und trotzdem aufgedunsene Gesicht sehen konnte. Er wäre lieber noch ein wenig auf seiner Insel mitgeschwommen. Von der wußte man, was man von ihr erwarten konnte.
    Von dieser alten, regungslosen Hexe wußte er es nicht.
    Zamorra saß ihr mit mühsam gekreuzten Beinen auf Armlänge gegenüber. Plötzlich hatte er das Bedürfnis, sie anzufassen, um sich zu vergewissern, daß sie wirklich nicht nur eine Maschine mit einer von einem Wahnsinnigen entworfenen Karosserie aus Plastikmasse war.
    Er stupste ihr mit den Fingerspitzen gegen den einen fleischigen, so ungeheuer voluminösen Arm. Da war Haut, da war wirklich Fleisch, welkes Fleisch, in dem offenbar keine Kraft mehr war. Die kleine Druckstelle füllte sich wieder mit Blut.
    Als wäre das ihr Zeichen gewesen, tauchte sie das Paddel wieder ins Wasser und legte ab. Sie wendete geschickt und ruderte mit mechanischen Zügen die Strecke zurück, die sie gekommen war. Es mußte die Richtung sein, in der Zamorra die Pagode gesehen hatte.
    Zamorra jedoch wollte sich mit der Automatenhaftigkeit der Frau nicht abfinden. Es mußte doch ein Mittel geben, ihr irgendeine menschliche Regung zu entlocken.
    Er griff nach seinem Amulett und zog es zwischen den Knöpfen seines Hemdes heraus. Die Sonne stand gerade günstig, und er benutzte das glänzende Edelmetall als Spiegel.
    Ein knopfgroßer weißer Fleck geisterte über die Züge der Alten, und da reagierte sie zum erstenmal. Es kam zumindest Bewegung in das Netzwerk ihrer Züge, Gleichzeitig hörte sie zu rudern auf. Gespenstisch, wie sie so dasaß. Alles an der Situation war unwirklich, obwohl die Sonne verschwenderisch vom azurblauen Himmel herunterstrahlte und der Szenerie jedes dämonisch funkelnde Zwielicht nahm, in dem die Aura des Widerwärtigen und Bösen sich den Menschen offenbart.
    Zamorra wartete gespannt ab, jederzeit bereit, die Alte aus dem Boot zu werfen, wenn er dachte, er könne von Nicole und sich eine Gefahr abwenden, aus der es dann kein Entrinnen mehr gab.
    Das gespiegelte Licht flackerte über die braunteigige Masse ihres Gesichts.
    Und da öffnete sich ein zahnloser Mund. Der abgelenkte Sonnenstrahl traf hinein, sandte Licht in die Mundhöhle.
    Zamorras Nackenhaare begannen sich zu sträuben.
    Diese Frau hatte keine Zunge.
    Der Rachen war vollkommen leer.
    Das Amulett rutschte ihm aus der Hand und pendelte kurz über dem darunterliegenden Knopf, weil Zamorra sich weit nach vorne gebeugt hatte.
    Die klaffende, von Runzeln umrahmte Höhle schloß sich wieder. Sie legte den Kopf etwas in den Nacken, und Zamorra konnte die Falten sehen, hinter denen die Augen sitzen mußten.
    Und dann dachte er, ein mit extremer Zeitlupe aufgenommenes Bild zu sehen. Die feinen Verästelungen der Haut verschwanden, wurden glatt. Die Haut glänzte wie Seide. Die Wölbungen der Fettwulste bogen sich nach oben und nach unten. Mikrometer für Mikrometer öffnete sich der Spalt, wurde breit und breiter, wurde unermeßlich breit. Wie ein sich aus dem Dunkel näherndes Licht stieg daraus etwas Weißes hervor, hob sich an die Oberfläche dieses zerstörten, aufgedunsenen Gesichts. Groß wie Gichtknoten. Etwas Milchigweißes. Augäpfel, die sich weit über die sie umgebende Haut hinauswölbten. Augäpfel ohne Augen…
    Sie mußten jeden Moment aus ihren Höhlen springen.
    Jetzt!
    Doch da schlossen sich die Fettwulste ruckartig wieder. Wie die todbringend zuschnappenden Greifer einer Gottesanbeterin.
    Zamorra saß immer noch wie gelähmt, als die Frau schon längst wieder ihr Paddel in die grünlichlehmigen Wasser getaucht hatte. Wie ein Automat. Wie ein Maschinenmensch, ein Wesen aus der Retorte Frankensteins.
    Das Boot blieb haargenau auf seiner Linie.
    An Zamorras Trommelfellen schrillte und zerrte es.
    Nicole Duval kreischte sich die Seele aus dem Leib. Die Iris ihrer Augen war gelb wie Dotterblumen. Dotterblumen konnten nicht gelber sein, als die Iris ihrer Augen…
    ***
    Kon Siang hatte nicht umsonst die internationale Hilfsbereitschaft aller Piloten angezapft und für Bill Fleming ein Flugzeug mit Schwimmern besorgt. Angeblich gab es im ganzen Land nur sechs Stück davon.
    Bill stieg in die klapprige Cessna und winkte Kon Siang nochmals zu, der draußen an

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