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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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der Mole stand. Offiziell galt Bill Fleming als bettlägrig, und deshalb hatte er auch eine Aufenthaltsgenehmigung für die Volksrepublik bekommen. Seine Reputation als anerkannter Historiker und als Gastdozent an der Harvard University trugen ein übriges dazu bei.
    Der altersschwache Motor des verrosteten Vogels hustete und spuckte, als die Cessna sich lahm in die Lüfte erhob. Es war bereits zehn Uhr vorbei. Der Pilot, ein kleiner drahtiger Bengale, zwinkerte ihm optimistisch zu, als wolle er ihm Mut machen. Es zog fürchterlich in der Kanzel, und die Maschine legte sich in eine weite Schleife über Chittagong. Vermutlich glaubte der Mann, das seinem Fahrgast schuldig zu sein. Dann brachte er die stumpfe Nase des Vogels in Richtung Westen. Nach Barisal.
    Nachdem eine wegen des Motorenlärms sehr laute Unterhaltung in Gang gekommen war, versicherte Ublai Ergh dem hochgewachsenen Amerikaner, daß er in Barisal alles finden würde, um eine kleine Expedition ins Delta auszurüsten.
    Aber der Mann ließ auch immer wieder durchschimmern, daß er es für eine Verrücktheit hielt, so kurz vor der Monsunzeit in diesen Fieberherd aufzubrechen.
    Vor Krankheiten hatte Bill jedoch weitaus weniger Angst. Er war ebenso wie sein Freund und Nicole sehr viel unterwegs, und alle drei waren sie gegen die gängigsten Tropenkrankheiten hinreichend geimpft. Bill Fleming wurden den Eindruck nicht los, daß der Pilot Ublai Ergh ihm noch viel mehr über das vage angedeutete Ziel seiner Reise hätte erzählen können, wenn er nur gewollt hätte.
    Aber der Pilot wollte nicht. Er versank in dumpfes Schweigen, als Bill ihn einmal direkt darauf ansprach. »Eine schlechte Gegend, Sir«, sagte er nur. Mehr war nicht aus ihm herauszubekommen.
    Unter ihnen glitzerte der Golf von Bengalen im Sonnenlicht, immer wieder durchsetzt von Inselchen und Inseln mit dichtgrünem Bewuchs und weiß glitzernden Stränden.
    Bill fragte sich, wann der Tourismus auch hier Fuß fassen und diese Idylle mit seiner lärmenden Hektik überfluten würde. Landschaftlich gesehen bot Bangladesh alle Voraussetzungen dafür. Noch fehlte die dazugehörige Infrastruktur, fehlten die Hotels, fehlte die Bereitschaft der Regierung, ausländische Investoren schalten und walten zu lassen. Im Agrabad hatte Bill fast nur Russen entdeckt, unter deren Leitung der Hafen von Chittagong dem weltweiten Standard angepaßt wurde.
    Es war halb zwölf vorbei, als die Cessna tiefer ging. Vereinzelt machte Bill verstreut liegende Ortschaften und einzeln stehende Gehöfte aus. Keine Straßen. Dann wieder Flußläufe und nochmals Wasserbänder, auf denen Dhaus schwammen. Boote mit Dreieckssegeln. Fischer warfen Netze aus. Bill ahnte endlich, was hier auf ihn zukam. Das Gelände unter ihnen war ein Labyrinth aus Grün und Blau. Er fragte sich, wie die Einheimischen sich hier zurechtfanden.
    Links tauchte eine größere Siedlung aus dem Dunst. Zum Meer hin einige höhere Häuser, die sich landwärts in Elendsvierteln verloren. Eine gemauerte Mole, vor der Fischerboote ankerten. Die rauchenden Schlote einiger Ziegeleien kündeten von der einzigen Industrie Barisais. Von Kon Siang wußte er schon, daß er nicht einmal ein Hotel erwarten durfte. Inzwischen spürte er doch die Müdigkeit, die in seinen Knochen steckte.
    Ublai Ergh setzte zum Landeanflug an. Der Verkehr mit Rikschakarren und abenteuerlich bemalten Fahrrädern auf der Uferstraße war ins Stocken geraten. Die Leute starrten wie gebannt zu ihnen herauf. Flugzeuge bekamen sie nur zu Gesicht, wenn ein Gast der Regierung erwartet wurde, und das geschah praktisch nie.
    Bill war über diese unvermutete Aufmerksamkeit, die man ihnen entgegenbrachte, überhaupt nicht glücklich.
    Der Pilot setzte die Maschine sanft auf das von keiner Welle getrübte, lehmigbraune Wasser. Glitzernde Fontänen spritzen an den Seitenfenstern vorbei und wurden vom Propeller zu feuchtem Nebel zerstoben. An der Mole kam der Vogel zum Stehen.
    Ublai Ergh sprang federnd auf einen der Schwimmer und warf eine Leine hinüber. Die Leute drängten sich danach, das Seil zu erhaschen und an einem den Steg überragenden Holzpfosten festzumachen. Der Pilot stellte den Motor ab und unterhielt sich schreiend mit der Menge, unter deren Last der von der Mole abragende Steg zusammenzubrechen drohte.
    Tatsächlich zogen sich die Menschen ehrfurchtsvoll zurück. Es war ihnen beigebracht worden, widerspruchslos zu gehorchen, wenn man ihnen mit Symbolen der Macht entgegentrat. Ein Flugzeug

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