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0101 - Die Menschentiger

0101 - Die Menschentiger

Titel: 0101 - Die Menschentiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franc Helgath
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war so ein Symbol, egal, wie schäbig und heruntergekommen der Vogel auch war.
    Die Menge teilte sich, und Ublai Ergh grinste zu Bill herauf, der in der Kanzel sitzengeblieben war, weil er sieh angesichts dieser Vielzahl brauner, kleinwüchsiger Männer und Frauen beklommen fühlte. Mit einem derartigen Empfang hatte er nicht gerechnet.
    »Der Dorfälteste kommt persönlich, um Sie zu begrüßen«, sagte der Pilot in seinem schnatternden Englisch. »Brauchen Sie mich noch, Sir? Oder kann ich wieder verschwinden?«
    »Bleiben Sie«, antwortete Bill, immer noch verwirrt. »Ich glaube, ich bin auf einem anderen Stern.«
    Ergh nickte verständnisvoll. »Das geht jedem Fremden so, wenn er in abgelegene Gegenden kommt. Nicht einmal meine Landsleute aus den großen Städten sind davor gefeit. Willkommen in der Hölle, Sir.«
    Er sagte das etwas bitter. So als würde er sich der Menschen schämen, die hier am Rande des Dschungels ihr armseliges Leben ohne jede Abwechslung fristeten.
    Dann wollte er Bill aus der Kabine helfen, aber Bill ergriff die hilfreich ausgestreckte Hand nicht, weil er die Mentalität dieser Leute nicht kannte. Sie hätten es als Schwäche auslegen können, wenn er sich unselbständig zeigte.
    Und — verdammt noch mal — das war er auch. Sie sollten es nur nicht sofort bemerken.
    Inzwischen war der örtliche Würdenträger aufgetaucht. Ein Mann mit einem mit Henna rotgefärbten Bart, was ursprünglich einmal bedeutet hatte, daß ein Mann mit dieser ungewöhnlichen Zierde einmal Mekkapilger gewesen war. Doch inzwischen färbten sich auch die Hindugläubigen so. Es gefiel ihnen und kam ihrem kindlichen Trieb zu äußerer Prachtentfaltung entgegen.
    Hinter dem Khan standen zwei Jungen, die sich mit Palmwedeln abmühten, um dem Alten Kühlung zuzufächeln und doch nur die stickigschwüle Luft durcheinanderwirbelten. Ein dritter schon etwas größerer Junge hielt einen breitausladenden grellbunten Sonnenschirm über das Haupt des Alten.
    Ublai Ergh verbeugte sich tief vor ihm, und Bill dachte, es könne nicht schaden, wenn er es ihm gleichmachte. Ein warnender Blick aus Erghs Kohleaugen hielt ihn davor zurück. Deshalb zog er ein blasiertes Gesicht, als der Alte sich vor ihm verbeugte, und blieb gerade wie eine Kerze stehen. Ein Zwinkern seines Piloten verriet ihm, daß er es richtig gemacht hatte.
    Ublai Ergh redete schnell wie das Prasseln eines Maschinengewehrs auf den Dorfältesten ein, der zwischendurch scheu zum Amerikaner herüberschauend den Wortschwall über sich ergehen ließ. Seine Miene verriet immer mehr Respekt. Der Teufel mochte wissen, welche Lügenmärchen dieses Schlitzohr von Pilot ihm auftischte.
    Jedenfalls scheuchte der Dorfälteste die Neugierigen mit einigen herrischen Gesten davon. Bald darauf nahm das Leben auf den Straßen wieder seinen gewohnten Gang.
    Bill folgte dem gravitätisch vorausschreitenden Bürgermeister, Ublai Ergh folgte ihm mit seinem Koffer. Bill hatte schon im Hotel einen khakifarbenen Tropenanzug und festes Schuhwerk angezogen. Sein Koffer enthielt neben Unterwäsche in der Hauptsache Geld, weil es von den Taka, der Landeswährung, kaum Noten über zehn Taka hinaus gab, und das entsprach dem Wert von noch nicht einmal einem halben US-Dollar. Größere Geschäfte wurden hier ausschließlich mit harten Devisen ausgehandelt, doch Kon Siang hatte ihm geraten, sich mit der Landeswährung einzudecken, weil er sich nicht sicher war, ob man in diesem abgelegenen Nest ohne Banken und ohne Straßen schon je eine Dollarnote, geschweige denn einen Travellerscheck zu Gesicht bekommen hatte. Ublai Ergh schleppte schwer an den siebenhundert Dollar, die normalerweise nicht einmal die Brieftasche aufgebläht hätten.
    Zamorras Freund wollte ihn etwas fragen, als ihm der Pilot flüsternd das Wort abschnitt: »Es ist unhöflich, hinter dem Rücken des Bürgermeisters zu sprechen.«
    Bill fügte sich und schluckte die Fragen hinunter, die sich in ihm aufgestaut hatten. Durch ein Spalier sich verbeugender Einheimischer erreichten sie eine breite Straße, in der die Häuser einen weniger verkommenen Eindruck machten. Sie waren aus Ziegeln errichtet und ockerfarben getüncht. Nirgendwo auch nur die Spur von zierenden Gärten. Nur sehr schmale Fenster, kaum breiter als Schießscharten, wiesen zur Straßenfront. Auch hatte Bill bisher noch kein einziges Auto entdecken können, obwohl auf Kon Siangs Karten für Barisal eine Tankstelle vermerkt war. Vermutlich nur deshalb, weil es den

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