0103 - Ich - der Mörder Jerry Cotton
Wohnung von innen betreten, ich wollte ihr eine Flucht über die Feuerleiter abschneiden. Als sie hier um die Ecke bog, war ich noch einen Absatz tiefer. Für einen Augenblick lang, sahen wir uns verdattert an, dann wich sie hinter die weiter hinaufführende Treppe zurück. Aber nur für ein paar Sekunden. Als ihr Kopf wieder zum Vorschein kam, stierte ich genau in die Mündung ihrer Pistole. Ich warf mich hin und drückte gleichzeitig ab. Ich mußte auf ihren Kopf zielen, denn sonst war nichts von ihr zu sehen.«
Rane nickte.
»Gut, Sir. Ich werde das in mein Protokoll auf nehmen.«
»Ja, darum wollte ich Sie bitten, Sergeant. Wollen Sie den Namen der Toten notieren?«
»Das wird wohl angebracht sein, Sir.«
»Mabel Rossly.«
Rane Morcher stutzte.
»Was? Die ist das? Na, dann haben Sie dem Henker nur die Arbeit abgenommen, Sir.«
Ich nickte stumm. Er mochte ja recht haben, aber immerhin war es kein angenehmes Gefühl, einen Menschen erschossen zu haben. Ich fühlte eine eigenartige Flaute in meinem Magen.
»Wo ist eigentlich ihre Pistole?« fragte Phil.
»Eben«, meinte ich und sah mich auf der kleinen Plattform um. Die beiden Polizisten halfen uns bei der Suche. Wir drehten sogar den Körper der Toten um, falls sie auf ihre eigene Waffe gefallen sein sollte…
Wir fanden die Waffe nicht.
»Sie wird wohl unten im Hof liegen«, sagte der Sergeant. »Die Frau war sofort tot, als sie von Ihrer Kugel getroffen wurde. Da wird sich die Hand gelöst haben und die Pistole in den Hof gefallen sein.«
»Ja, so wird es sein«, bestätigte Phil. »Dann wollen wir mal im Hof danach suchen, bevor sie vielleicht von spielenden Kindern gefunden wird.«
Wir stiegen die Feuerleiter hinab. Die Leiche der Frau wollten wir lieber ein Stockwerk hinauftragen und dann im Haus mit dem Lastenaufzug nach unten befördern lassen, als sie zehn Stockwerke tief eine schmale Feuerleiter hinabzuschleppen.
Die Cops halfen uns beim Suchen. Aber obgleich wir jede Mülltonne umdrehten, konnten wir die Waffe nicht finden. Nach einer Weile zog Phil mich auf die Seite und raunte mir zu:
»Sag mal, Jerry, bist du ganz sicher, daß sie eine Schußwaffe bei sich hatte?« Ich sah ihn groß an.
»Na, glaubst du vielleicht, ich schieße auf eine wehrlose Frau?«
Phil schüttelte den Kopf.
»Natürlich nicht! Aber dann müßte doch die Waffe zu finden sein!«
»Wir haben eben nicht gründlich genug gesucht!« wehrte ich ab. »Los, suchen wir nochmal den Hof durch…« Wir taten es. Sehr gründlich. Eine Schußwaffe wurde nicht gefunden.
***
Es war etwa fünfzehn Minuten vor neun Uhr abends, als im FBI-Districtsgebäude ein ältliches Männchen von ungefähr fünfzig Jahren erschien. Es trug einen dunkelblauen, zweireihigen Anzug und einen steifen, dunklen Hut. Eine dünne Ledermappe hielt es zwischen den dürren Fingern.
»Guten Abend«, sagte der Alte. »Guten Abend«, erwiderte der Beamte vom Nachtdienst des Auskunftsschalters. »Na, Großvater, was können wir für Sie tun?«
»Ich möchte eine Anzeige aufgeben«, sagte der Alte.
»Eine Anzeige?«
»Ja!«
»Um was geht es denn? Wir vom FBI sind nur für besondere Delikte zuständig, das sage ich Ihnen gleich.«
Der Alte zuckte die Achseln und knurrte:
»Das weiß ich mindestens genauso gut wie Sie! Ich bin George Forest, Rechtsanwalt und Notar.«
Unser Kollege am Nachtschalter stutzte. So so, dachte er. Das ist also dieser George Forest! Ich hatte mir immer schon gewünscht, diesen Rechtsverdreher einmal kennenzulernen. Im Grunde sieht er aus wie ein zerbrechliches Geschöpf, das jeder Luftzug umwehen kann. Dabei ist er der raffinierteste Anwalt, den die Unterwelt je aufzubieten hatte.
»Was wünschen Sie?« fragte der Beamte beherrscht.
Forest schluckte, dann sagte er barsch: »Ich möchte eine Anzeige gegen einen FBI-Beamten zu Protokoll geben!«
»Wa…?«
Das Wort blieb unserem Kollegen im Hals stecken. Er schluckte wie vorher Forest und räusperte sich anschließend.
»Sie — Sie wollen eine Anzeige gegen einen G-man loslassen?«
»Ja! Das habe ich doch wohl deutlich genug gesagt — nicht wahr?«
»Hm! Na, also — mir bleibt die Sprache weg!«
»Vielleicht sagen Sie mir vorher schnell noch, wo ich meine Anzeige zu Protokoll geben kann, wie?«
Unser Kollege sah sich ratlos, um. Aber er saß allein und folglich konnte ihm niemand einen Rat geben.
Schließlich griff er verwirrt zum Telefonhörer. Aber bevor er irgendeine Nummer wählte, fragte er noch:
»Gegen
Weitere Kostenlose Bücher