0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
jenen Knochen, von dem Zamorra gesprochen hatte, den sah sie nicht.
Langsam schüttelte sie den Kopf.
»Ich kann ihn nicht entdecken.«
»Waren Sie schon jemals bei einem von Kims Versuchen anwesend?«
Wieder verneinte sie. »Er wollte mich nicht dabei haben. Aber ich habe hier regelmäßig saubergemacht.«
»Fällt Ihnen dann irgendeine Veränderung auf?«
»Ich weiß nicht…«, begann sie zaghaft. »Irgend etwas kommt mir schon ein wenig anders vor.«
Zamorra drängte sie nicht weiter. Sie gab sich ohnehin schon alle Mühe, sich zu erinnern.
Da ging sie plötzlich auf den mit Geräten überladenen Tisch zu und deutete beinahe vorwurfsvoll auf eine bestimmtè Stelle.
»Hier«, sagte sie. »Hier hat er gestern noch gestanden!«
»Wer? Was?«
Professor Zamorra kam neben sie, sah jedoch nichts als ein Häuflein von Metallspänen oder Ähnlichem.
»Dieser Schädel«, sagte sie. »Mit dem er zuletzt experimentiert hat.«
Zamorra mußte die Frau zurückschieben. Er übergab sie der Fürsorge Nicoles, da Astrid Läla sicherlich noch unter Schockeinwirkung stand. Sie bewegte sich wie eine Puppe.
»Sie haben nicht zufällig irgend etwas verändert?« fragte Zamorra über die Schulter zurück.
»Nein. Ich bin ja nur wenige Minuten vor Ihnen hier angekommen. Ich wollte Kim sein Mittagessen machen. Ich meine, Herrn Lisöjn.«
»Waren die Apparaturen da schon ausgeschaltet?«
»Nein. Das habe ich getan. Aber ich legte nur den Hauptschalter um. Mehr verstehe ich nicht von diesem Zeug.«
»Dann kann ich also davon ausgehen, daß sämtliche Skalen noch so eingestellt sind, wie Kim sie justierte?«
Die Frau nickte.
»Denken Sie…? Ich meine, sollen wir die Polizei…?«
Zamorra wandte sich voll der Frau zu und schaute sie ernst an.
»Ich fürchte, das würde wenig Zweck haben, Frau Läla. Wenn Herr Lisöjn verschwunden ist, dann bestimmt nicht auf natürliche Art und Weise.«
»Wie soll ich das verstehen?«
»Ich verstehe es selbst noch nicht ganz«, gestand Professor Zamorra ein. »Doch ich gehe davon aus, daß Kim Lisöjn von einem Dämon entführt wurde. Die Polizei würde uns schwerlich helfen können, ihn wiederzufinden.«
Astrid Läla stieß einen kurzen erstickten Schrei aus, als sie in Ohnmacht fiel. Professor Zamorra kam gerade noch dazu, sie aufzufangen. Vorsichtig bettete er sie auf ein bequem aussehendes Omasofa in der Wohnküche.
»Es ist wirklich saukalt hier«, meinte er zu Nicole. »Du solltest versuchen, ein Feuer in Gang zu bringen. Ich kümmere mich inzwischen um Frau Läla.«
***
Astrid Läla blieb nicht lange bewußtlos. Sie sah noch etwas verstört aus, aber sie schien das Unglaubliche zu akzeptieren. Von diesem großen Mann aus Frankreich ging ein starker Strom des Vertrauens aus, der sie wärmte wie ein lauer Wind. Er schien ihr der Mann zu sein, in dessen Hände man getrost sein Schicksal legen konnte. Aus seinem Mund klang sogar das Ungeheuerliche glaubhaft. Jetzt wußte sie endlich auch, was Kim Lisöjns Stimmung so hatte Umschlägen lassen.
Es war Angst gewesen. Vielleicht auch ein wenig Angst vor der eigenen Courage. Sie kannte ihn gut genug, um das beurteilen zu können. Kim gab sich gerne immer ein wenig poltrig, doch sein Kern war weich wie das Fleisch einer Melone. Trotz seiner überaus männlichen Natur war er ihr manchmal wie ein Kind vorgekommen.
Erschrocken ertappte sie sich, daß sie bereits in der Vergangenheitsform über ihn dachte.
»Können Sie ihm helfen, Professor?« fragte sie hilflos und zugleich hoffnungsvoll. Es war ein trauriges Sehnen, das aus ihren dunklen Augen schimmerte. So, als würde sie mit einer negativen Antwort rechnen.
Zamorra spürte das. Er wollte die Frau nicht enttäuschen, andererseits aber auch nichts versprechen, was er später nicht halten konnte.
»Es ist noch nicht alles verloren«, sagte er deshalb in warmem und herzlichem Ton. »Ich weiß noch viel zuwenig darüber, was Kim eigentlich wirklich angestellt hat; womit er sich in der Hauptsache beschäftigte. Sein Brief war leider nur kurz und obendrein sehr allgemein gehalten, als daß ich mir jetzt schon ein detailliertes Bild machen könnte. Aber Sie werden mir dabei helfen, daß ich mir möglichst schnell einen Überblick verschaffe, nicht wahr?«
Astrid Läla nickte tapfer und brachte sogar den Hauch eines Lächelns zustande, das sie schlagartig um viele Jahre jünger machte. Sie brauchte Zamorra nicht mehr zu erklären, daß sie Kim Lisöjn mehr gewesen war als eine
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