0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Haushälterin.
Genauso wie Nicole mehr für ihn war als eine bloße Sekretärin. Zamorras Sympathie für diese Frau wuchs an. Er würde alles daransetzen, um ihr den leichtsinnigen Geliebten wiederzubeschaffen. Wenn es irgendeine Möglichkeit dazu gab - er würde sie finden.
Zamorra lächelte zurück.
»Können Sie wieder aufstehen, Frau Läla? Fühlen Sie sich kräftig genug?«
Sie setzte ohne fremde Hilfe die Beine auf den Boden und erhob sich.
»Sie sehen, es geht schon wieder. Sicher werden Sie wissen wollen, wo Kim seine Aufzeichnungen aufbewahrt. Er hat nämlich über alles sehr gewissenhaft Buch geführt. Aber ich interessierte mich leider nicht genug dafür. Über seine Forschungen haben wir nur sehr wenig gesprochen.«
»Das war es tatsächlich, was ich von Ihnen erwartet hatte«, antwortete Zamorra. »Ich darf doch einen Blick in diese Unterlagen machen?«
»Sie dürfen alles, was mir Kim zurückbringen könnte«, antwortete sie leise, aber schon lange nicht mehr so niedergeschlagen wie vorher. Zamorra hatte sie aus ihrer verzweifelten Hoffnungslosigkeit herausgeholt, wie er das beabsichtigt hatte.
Astrid Läla führte ihn hinüber ins Labor und erklärte Zamorra den Aufbau von Kim Lisöjns Archiv, so gut sie es vermochte. Zamorra fielen dabei ganze Mappen mit Schaltplänen auf, die mit Rotstift geändert worden waren.
»Er baute alles um, sobald er irgendeinen Apparat ausgepackt hatte. Dann habe ich ihn manchmal tagelang nicht gesehen. Er vergrub sich hier förmlich, und es gab nichts Interessanteres für ihn als die Schaltpläne, eine Menge elektronischen Kram und seinen Lötkolben.«
Anschließend wies sie auf eine lange Reihe von Tonbandschachteln, die allein die Breitseite des Regals ausfüllten. »Seine Aufnahmen ordnete er chronologisch. Auf der rechten Seite finden sie die zuletzt gemachten Aufzeichnungen. Seine schriftlichen Notizen sind alle hier auf diesen Notizblöcken. Die neuesten liegen zuoberst. Hoffentlich kommen Sie mit seiner Schrift zurecht. Sie ist fürchterlich.«
So sah sich Professor Zamorra plötzlich mit einer Materialfülle konfrontiert, mit der er nie gerechnet hatte. Und alles sollte gesichtet werden…
Er seufzte innerlich.
»Das wird ein langer Tag für mich«, sagte er.
»Wollen Sie hier in diesem Zimmer bleiben?«
»Wenn es sich einrichten läßt, ja.«
»Dann werde ich den Kamin anheizen.«
»Seien Sie bitte so freundlich.«
Sie machte sich am Kamin zu schaffen, und Zamorra sah ihr dabei zu.
»Halt!« rief er im letzten Moment. Er glaubte, etwas entdeckt zu haben. Astrid Läla hatte schon zwei Birkenscheite in der Hand und wollte sie auf die verkohlten Überreste der gestrigen Nacht schichten. Zamorra hinderte sie gerade noch daran.
»Könnte das einer seiner Notizblöcke sein?« fragte und deutete auf einen Teil der Asche. Die Spiralfeder, die die einzelnen Blöcke zusammenhielt, war nicht verglüht.
»Ich weiß nicht«, erwiderte Astrid Läla zögernd. »Aber es könnte sein.«
»Haben Sie Glasplatten und eine Pinzette im Haus?«
»Ich werde in der Hausapotheke nachsehen.«
Astrid Läla stellte keine unnötigen Fragen mehr. Das war sie schon vom Umgang mit Kim her gewöhnt. Sie brachte auch die Kehrschaufel, nach der Professor Zamorra verlangte.
Er legte zuerst eine der quadratischen Glasplatten darauf und schob dann das Ganze vorsichtig unter den verkohlten Block, dessen einzelne Blätter noch als solche erkennbar waren. Aufatmend legte er dann die zwei Glasplatten darüber. So hatte er die Überreste von Kim Lisöjns Aufzeichnungen ähnlich präpariert wie einen Objektivträger, den man nun getrost unter die Linsen eines Mikroskops schieben konnte.
Doch das wollte Professor Zamorra gar nicht. Aber wenn er die beiden Glasplatten mit der Asche dazwischen in einem bestimmten Winkel zum Licht hielt, konnte man die Schrift entziffern.
Kim Lisöjns letzte Worte, bevor der Dämon ihn zu sich in sein Reich holte…
***
Die Szenerie war gespenstisch wie ein fotografierter Alptraum. Kim Lisöjn fror wie ein Schneider. Niemand hatte es für nötig gehalten, ihn mit einem Fell oder einer Decke vor der beißenden Kälte zu schützen, die seine Glieder morsch wie ausgebleichte Knochen hatte werden lassen. Schon längst hatte er kein Gefühl mehr in Armen und Beinen. Bei jedem Atemzug stieg eine Dampfwolke in die Luft und wurde vom heulenden Wind zerstoben und davongezerrt.
Er hatte nicht die geringste Ahnung, wie er überhaupt hierhergelangt war. Er
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