0103 - Im Bannstrahl des Verfluchten
Verschwinden Kim Lisöjns in etwa abgerollt sein mußte. Und auf diesem Gebiet wiederum war Professor Zamorra heimisch. Dämonologie war sein erklärtes Fach.
Es bestand eine geringe Aussicht, daß er selbst den Dämon beschwören konnte, der Kim Lisöjn zu sich geholt hatte. Draußen legte sich die Nacht über den Rautaverst-See, Nicole rief Professor Zamorra zum Abendessen. Er war dankbar für diese Unterbrechung. Ihm rauchte ohnehin schon der Kopf.
Es gab Fischfilets mit Senfsoße und selbstgebackenem Brot. Zamorra sparte auch nicht mit Komplimenten an Astrid Lälas Kochkunst. Sie quittierte seine ehrliche Begeisterung mit einem schamhaften Lächeln.
Kim lobte sie nur selten. Er löffelte immer nur in sich hinein, was sie ihm vorsetzte. Auf seine Art war Kim Lisöjn ein Besessener. Ein Mann, der über einem Problem grübelte, bis er es gelöst hatte, ohne bis zu diesem Zeitpunkt seiner Umwelt irgendeine Beachtung zu schenken. Sie versank für ihn in die Bedeutungslosigkeit, und Astrid Läla versank mit.
Sie beklagte sich nicht darüber, aber sie konnte das Gefühl eines gewissen Neides nicht unterdrücken, wenn sie die Französin und den Franzosen heimlich beobachtete und sah, wie sehr gut sie sich waren.
Die beiden wirkten auf sie wie ein eingespieltes Team, wie ein Uhrwerk sogar, bei dem ein Rädchen perfekt in das andere griff. Ein Räderwerk, von gegenseitiger Rücksichtnahme und Liebe geölt.
Sie seufzte heimlich.
Professor Zamorra bedankte sich noch einmal, nachdem er die Serviette beiseite gelegt hatte. Auf der Küchenuhr mit dem schwingenden Perpendikel war es kurz vor sieben.
»Haben Sie die Möglichkeit, Frau Läla«, fragte er, »Miß Duval für diese Nacht bei Ihnen unterzubringen?«
Sofort bildete sich auf Nicoles Stirn eine steile, V-förmige Falte, ein unübersehbares Indiz ihres Unmuts.
»Was soll das heißen, Chef?« meinte sie wenig diplomatisch. »Willst du mich loshaben?«
Zamorra wappnete sich mit Geduld. Vor Situationen wie der jetzigen war er schon so oft gestanden. Nicole wollte partout nicht einsehen, daß es gewisse Dinge gab, die er lieber allein hinter sich bringen wollte. Weil sie viel zu gefährlich für Nicole waren.
»Ja«, antwortete er knapp und zwang sich zu einem dünnen Grinsen. »Und du weißt auch sehr gut, warum.«
»Ich weiß, was du vorhast, Chef«, sagte sie, und die V-Falte blieb auf ihrer Stirn wie ein Brandmal. »Du denkst wieder mal, ich würde dich nur stören. Ist es das?«
Zamorra rutschte auf seinem Stuhl herum.
Das war es tatsächlich, und er blieb unruhig, weil er schon wußte, was Nicole jetzt vom Stapel lassen würde.
»Darf ich dich dann vielleicht daran erinnern«, fuhr sie inquisitorisch fort, »daß ich dir schon einmal entscheidend geholfen habe?«
Sie ließ die Frage im Raum stehen.
Zamorra mußte bei sich zugeben, daß Nicole so unrecht gar nicht hatte. Auf ihre unkomplizierte Art, auch an komplizierteste Sachverhalte heranzugehen, hatte sie ihm in der Tat schon manchmal entscheidende Hinweise gegeben, ihm sogar verschiedentlich aus einer Patsche geholfen, aus der er sich mit eigener Kraft nicht mehr befreien konnte. Doch alles zusammen überwog nicht den Sachverhalt, daß Nicoles unvorausberechenbare Aktionen unterm Strich doch mehr Wirbel verursacht hatten, als er nach dem Geschmack Professor Zamorras gewesen wäre. Nicole konnte außerordentlich trotzig sein, und an der Schwelle eines Abenteuers steigerte sie sich in das Gefühl hinein, eine Löwenmutter zu sein, die unbedingt ihr Junges verteidigen mußte.
»Mag schon sein«, antwortete Professor Zamorra ausweichend auf Nicoles Frage. »Aber diesmal wäre es wirklich besser, wenn…«
Nicoles V-Falte verschwand, und mit geglättetem Gesicht voll falscher Unschuld schaute sie ihn an.
»Dann gehe ich eben mit Frau Läla«, sagte sie. »Du hast es nicht anders gewollt. Denk daran, wenn du in Schwierigkeiten gerätst.«
Nicole Duval begann sichtlich, ein Ei auszubrüten.
Zamorra wäre es wohler gewesen, wenn er gewußt hätte, welches.
Doch der Mann, der schon unzählige Gefechte mit Gespenstern, Ghuls und anderen widernatürlichen Wesen ausgefochten und überstanden hatte - bei einem Strauß, der ihn mit dem Ewigweiblichen konfrontierte, das kaum besser als durch Nicole vertreten werden konnte, zog er zu seinem eigenen Bedauern viel zu oft den kürzeren.
***
Kim Lisöjn erwachte aus seiner Apathie, als sich draußen vor seinem Verschlag etwas Neues tat. Die meisten der
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