0104 - Wir und das Wachsfigurenkabinett
hinschicken, der sich davon überzeugt, dass die Bande dort ist. Den Anführer kann ich jedenfalls beschreiben, dann brauchen wir nur zuzugreifen.«
»Okay. Wird gemacht. Ich schicke jemanden hin.«
Ich selbst machte mich auf den Weg zur City Police in Broomstreet. Lieutenant Crosswing war unterwegs, und so ging ich hinüber ins Polizeigefängnis.
»Der alte Tullio wird sich freuen, Besuch zu bekommen. Er isst sich dick und fett, aber klagt über Langeweile«, lachte der Sergeant.
Ein Cop begleitete mich durch die grauen Gänge mit den vielen Türen.
»Wahrscheinlich wird Mr. Tullio schlafen«, meinte er. »Er hat vor einer Stunde irgend so einen Italienerfraß vertilgt und sich neuerdings angewöhnt, ein Mittagsschläfchen zu halten.«
Er rasselte mit seinem großen Schlüssel, schob die Riegel zurück und öffnete. Die Zelle war groß und für ein Gefängnis fast gemütlich eingerichtet. Auf dem Tisch stand noch das Essgeschirr und eine Schale mit Überresten von Salat.
»Ich lasse die Tür offen«, tief der Wärter, und ich hörte, wie seine Schritte sich entfernten.
Tullio lag auf dem Bett und schlief fest.
»Hello, Enrico. Du hast Besuch«, rief ich, aber er rührte sich nicht.
Der Bursche hatte wirklich einen guten Schlaf. Ich fasste ihn an der Schulter.
»Enrico, wach auf.« Nichts… Nur sein rechter Arm glitt von der Decke und baumelte schlaff herunter. Ein Schreck durchfuhr mich.
Ich beugte mich über ihn, und da sah ich es.
Enrico Tullio war tot. Mitten im Schlaf war er in den Himmel oder in die Hölle gefahren.
Ein schönes Ende, dachte ich. Er hatte nichts davon gemerkt. Es sah aus als sei er einem Herzschlag erlegen. Wahrscheinlich hatte er zu viel gegessen, und dazu kamen noch sein Alter und der Mangel an Bewegung. Vielleicht aber war Tullio für gewisse Leute gerade zur rechten Zeit gestorben. G-man sind von Beruf aus misstrauische Leute. Wenn jemand so »plötzlich und unerwartet«, wie es poetisch in den üblichen Todesanzeigen heißt, das Zeitliche segnet, so wollen wir das immer ganz genau wissen. Ich ließ die Tür offen und ging zurück in den Vorraum.
»Ist der Gefängnisarzt im Haus«, fragte ich den Sergeanten.
»Wieso? Hat der alte Gauner Bauchschmerzen?«
»Nein, er ist tot.«
»Tot.« Und dann wurde er sehr geschäftig.
Er telefonierte eine Weile herum. Dann meldete er:
»Doktor Brotherson wird sofort hier sein.«
Es dauerte keine fünf Minuten, als der Arzt eintraf. Er war ein schon älteres Semester mit kahlem Kopf, großer Hornbrille und einem Bäuchlein.
»Was ist passiert?«, fragte er und rieb sich die Hände.
»Ich bin Cotton vom FBI«, sagte ich. »Ich wollte hier einen Mann besuchen, der sich auf eigenen Wunsch in Schutzhaft befindet, und fand ihn kurz nach dem Mittagessen tot vor.«
»Soso, nach dem Mittagessen…« Er hörte nicht auf, sich die Hände zu reiben. »Sehen wir ihn uns einmal an.«
Während der Doktor sich über die Leiche neigte, die Augenlider hochnahm und an dem leicht geöffneten Mund roch, machte sich er Sergeant daran, das schmutzige Geschirr abzuräumen.
Doc Brotherson sah sich um und winkte ab.
»Hierlassen. Wenn ich mich nicht täusche, so wird der Kram noch gebraucht.« Er richtete sich auf. »Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei er vergiftet worden. Ich tippe auf Zyankali, aber das werden wir ja herausfinden.«
Er fuhr mit dem Finger in die Makkaronischüssel, prüfte vorsichtig mit der Zungenspitze und schüttelte den Kopf. Dann machte er dieselbe Probe an der Salatbrühe. »Pfui«, murmelte er und spuckte aus. »Da haben wir den Salat. Kosten Sie, wenn Sie wollen. Das Zeug schmeckt nach Mandeln. Darum hat er es wohl nicht auf gegessen, aber was er bereits im Magen hatte, genügte.«
»Zyankali also?«, fragte ich sicherheitshalber.
»Einwandfrei. Wenn er es nicht selbst hineingemischt hat, so muss es ein anderer getan haben.«
»Also Mord, und das ausgerechnet an einem Mann, der sich in Schutzhaft begeben hat.«
Der Sergeant war blass geworden und wischte sich den Schweiß von der Stirn. Er hatte hier die-Verantwortung, und die Geschichte konnte ihn seine Stellung kosten, wenn er nicht sogar die Uniform ausziehen musste.
»Kommen Sie.« Ich winkte. »Schließen Sie ab, bis die Mordkommission kommt. Niemand anders darf den Raum betreten oder gar etwas daraus entfernen.«
»Brauchen Sie mich noch?«, fragte der Arzt, der schon wieder zu seiner Lieblingsbeschäftigung, dem Händereiben, übergegangen war.
»Bitte
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