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0107 - Die Geier und der Wertiger

0107 - Die Geier und der Wertiger

Titel: 0107 - Die Geier und der Wertiger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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George McKammit weiter. Nachdem er auch den Kopfverband abgenommen hatte, nickte er seinem Spiegelbild zufrieden zu. Schritte näherten sich seiner Kabine. Er drehte sich abrupt um. Ein seltsamer Ausdruck huschte über sein Gesicht.
    Es klopfte.
    »Ja«, sagte McKammit mit kräftiger Stimme.
    Die Tür öffnete sich. Abel Grogger erschien. Er wollte nach dem Freund sehen. Er erschrak, als er McKammit mitten in der Kabine stehen sah – und noch dazu ohne Verband. »George! Wieso liegst du nicht in der Koje?«
    »Ich habe genug gefaulenzt.«
    »Aber du hast dich doch so elend gefühlt.«
    »Jetzt nicht mehr. Es geht mir prächtig.«
    »Und warum hast du den Verband abgenommen?«
    »Weil ich ihn nicht mehr brauche. Die Wunden sind verschwunden.«
    »Das gibt’s doch nicht!«
    »Willst du dich davon überzeugen?« McKammit neigte den Kopf.
    Er zeigte dem Freund auch Hals und Nacken.
    »Tatsächlich«, sagte Abel Grogger überwältigt. »George, wie ist so etwas möglich?«
    »Ich scheine eben ein besonders gutes Heilfleisch zu haben.«
    »Die Wunden waren so tief, daß ich mir ernstlich Sorgen um dich machte. Und nun sieht man nicht einmal mehr eine Narbe. Das ist doch nicht normal.«
    »Was ist schon normal, Abel? Waren die Geistervögel etwa normal? Sie waren eine Art Zauber, der über uns hergefallen ist, und jetzt hat sich die Zauberkraft aufgelöst – und mit meinen Wunden ist dasselbe passiert.«
    »So muß es sein«, sagte Grogger ernst. Aber dann begann er zu lachen und schlug dem Freund erfreut auf die Schulter. »Ich bin froh, daß du wieder okay bist, George. Mir war verdammt mies zumute, als ich dich reglos und blutüberströmt auf dem Boden liegen sah.«
    »Damit ist es vorbei. Ich bin wieder der alte.«
    »Sollten wir darauf nicht einen trinken gehen?«
    McKammits Miene verdüsterte sich. »Später«, sagte er gepreßt.
    »Zuerst muß ich noch etwas erledigen.«
    »Ich warte an Deck auf dich«, sagte Abel Grogger und verließ die Kabine.
    Sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte, verzerrte ein gemeines Grinsen George McKammits Gesicht.
    Er drehte sich um und schaute in den Spiegel, und plötzlich begann sich sein Aussehen zu verändern…
    ***
    Jetzt wurde sichtbar, daß George McKammit den Keim des Bösen in sich trug. Die Knochengeier hatten ihn ihm eingepflanzt.
    Mittlerweile war dieser unselige Keim aufgegangen und hatte das Herz des Seemanns überwuchert.
    Deshalb war er gegen John Sinclair. Das war der Grund, weshalb er den Oberinspektor von Scotland Yard mehr und mehr haßte: weil er auf der anderen Seite stand.
    Sein Aussehen dokumentierte dies für wenige Augenblicke.
    Aus seinem Hals sproß ein grauer Federkranz. Seine Augen waren zur Seite gewandert, und aus seinem Gesicht, das nichts Menschliches mehr an sich hatte, sprang ein scharfer Geierschnabel.
    Ein aggressives Krächzen entrang sich seiner Kehle, und dann wurde aus dem Geierschädel von einer Sekunde zur andern wieder ein Menschenkopf.
    McKammit lachte böse in sich hinein.
    Niemand wußte, was mit ihm los war. Er war in der Lage, seine Mitmenschen spielend zu täuschen.
    Sogar sein Freund Abel Grogger ahnte nicht, daß in ihm eine gefährliche Bestie schlummerte, die sich nur noch den Gesetzen der Hölle verantwortlich fühlte.
    Er verließ die Kabine und ging an Deck. Er schaute sich nicht um, sondern marschierte über die Gangway von Bord.
    »George!« rief Abel Grogger von der MONA LISA herüber.
    McKammit tat so, als hörte er den Freund nicht.
    »George!«
    »Scher dich zum Teufel!« murmelte McKammit feindselig.
    »George, so warte doch!« Grogger rannte über die Gangway.
    McKammit blieb nicht stehen. Stur ging er weiter.
    »George, wir wollten doch zusammen einen schlucken gehen!« rief Grogger.
    Zwischen zwei Lagerhäusern holte er McKammit ein. Er keuchte, faßte nach der Schulter des Freundes und drehte ihn herum.
    »Was soll das?« fragte McKammit ärgerlich.
    »Das frage ich dich. Wir waren uns doch einig…«
    »Ich sagte später. Ich habe etwas zu erledigen.«
    »Was denn?«
    »Das geht dich nichts an. Muß ich dir alles sagen?«
    »Hör mal, wir hatten doch noch nie Geheimnisse voreinander.«
    »Laß mich in Ruhe, Abel.«
    »Ich komme mit dir.«
    »Nein, Abel, du gehst auf die MONA LISA zurück!«
    »Also, jetzt reicht’s aber. Du hast mir nichts zu befehlen, Junge, das wollen wir doch gleich mal klarstellen!«
    »Wenn du nicht auf der Stelle kehrtmachst…«
    Abel Grogger schob trotzig sein Kinn vor. »Was ist

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