0107 - Die Hand des Hexers
Etagen hetzte sie hinunter. Fast hätte sie nicht mehr geglaubt, die Straße zu erreichen.
Verstört und in höchster Panik raste das Mädchen aus dem Haus. Cher überquerte den Gehsteig, schaute sich nicht um, vergewisserte sich nicht, ob die Straße frei war, schoß zwischen zwei parkenden Wagen auf die Fahrbahn.
Hupen!
Kreischen von Bremsen. Quietschen von blockierten Pneus.
Cher wirbelte herum.
Am Straßenrand standen die drei Hexen. Grinsend sahen sie bei dem zu, was jetzt passierte.
Ein Auto kam angeschlittert. Genau auf Cher Cobalt zu. Das Mädchen stand mit schockgeweiteten Augen da, unfähig, sich zu bewegen, sich mit einem weiten Satz in Sicherheit zu bringen. Ihre Kräfte waren verbraucht. Sie hatte nichts mehr, was sie hätte zusetzen können.
Der Fahrer starrte sie mit ebenso großen Augen an wie sie ihn. Aus seinem Gesicht war alle Farbe gewichen. Die Lippen waren fest aufeinandergepreßt. Der Mann wollte den Unfall verhindern, aber auf diese kurze Distanz war es ihm unmöglich, seinen Wagen zum Stehen zu bringen. Schon pralltê die Schnauze des Fahrzeugs gegen das wie angewurzelt dastehende Mädchen.
Cher Cobalt wurde hochgerissen und wie eine Strohpuppe durch die Luft geschleudert.
Der Autofahrer war sicher, daß das Mädchen diesen gewaltigen Aufprall nicht überlebt hatte…
***
Das Portal des Antiquitätenladens war unaufdringlich elegant. Das Arrangement in den kleinen Schaufenstern verströmte eine spürbare Seriosität. Professor Zamorra entdeckte die kleinen Metallfäden in den Sicherheitsscheiben, mit denen Dambir seine Kostbarkeiten schützte wie die Juweliere ihre Pretiosen. Schlug jemand eine von diesen Scheiben ein, dann zerriß der dünne Draht und löste damit einen Alarm aus, der jeden Einbrecher augenblicklich in die Flucht schlug.
Zamorra und Nicole stiegen aus Cher Cobalts weißem Ford Granada.
»Ich bin gespannt wie ein Regenschirm«, sagte der Professor.
»Worauf?« fragte Nicole Duval.
»Auf Dambir - und auf das, was er uns erzählen wird.«
»Glaubst du, daß der Inder mit dem Bösen gemeinsame Sache macht?«
»Ich bin davon überzeugt. Dambir ist die Schlüsselfigür in diesem Fall. Nur über ihn kommen wir weiter.«
Nicole warf die Wagentür zu.
Zamorra kam um das Fahrzeug herum. Sie steuerten gemeinsam auf den Eingang des Antiquitätengeschäfts zu.
Plötzlich ließ Zamorra einen Unmutslaut hören.
»Was ist?« fragte Nicole.
»Den Weg hierher hätten wir uns sparen können.«
»Wieso?«
Zamorra wies auf ein kleines Schild, das an einem Plastiksauger hing, der an der Innenseite des Türglases befestigt war.
HEUTE GESCHLOSSEN.
»Vielleicht ist Dambir trotzdem da«, meinte Nicole Duval.
»Wenn er da wäre, wäre der Laden offen.«
»Unter Umständen hat er im Lager zu tun«, erwiderte Nicole. Sie trommelte mit ihren Fäusten gegen die Scheibe, Sie trat ganz nahe heran, legte die Hände wie Scheuklappen an ihren Kopf und blickte in das Geschäft. Nichts regte sich. Daraufhin rüttelte Nicole mehrmals am Türgriff. Doch es nützte alles nichts. Dambir war nicht da. Sie mußten unverrichteterdinge wieder gehen.
Verdrossen setzte sich Zamorra in den Ford. »Wenn nicht heute«, sagte er mit finsterer Miene, »dann eben morgen.« Und dann gab er Gas, um Nicole Duval wieder bei Cher Cobalt abzuliefern. Anschließend wollte er versuchen, Dambirs Wohnadresse ausfindig zu machen.
Aber es sollte anders kommen…
***
Sie eilten mit ernsten Gesichtern den Krankenhauskorridor entlang. Nicole Duvals Miene drückte größte Besorgnis aus. Sie machte sich Vorwürfe, weil sie nicht bei Cher im Penthouse geblieben war. Zum Teufel, was hatte sie bewogen, mit dem Professor zu Dambir zu fahren? Das hätte Zamorra doch auch allein tun können. Nicole versuchte, sich einzureden, daß sie geglaubt hatte, am Tag würde Cher vor den Mächten des Bösen sicher sein. Die Unterwelt attackierte die Menschen zumeist erst, wenn es dunkel geworden war, denn die Dämmerung und die Nacht waren starke Verbündete des Schattenreiches. Im schwarzen Mantel der Nacht konnte sich das Böse unbemerkt entfalten, während es am Tage vorzeitig entdeckt werden konnte.
Nicole nagte nervös an ihrer Unterlippe.
Sie warf Zamorra einen kummervollen Blick zu. »Es ist meine Schuld, daß Cher hier gelandet ist.«
»Wieso deine Schuld?«
»Ich hätte Cher nicht allein lassen dürfen.«
»Fang jetzt nicht an, dich mit Selbstvorwürfen zu peinigen, Nicole, das führt zu nichts.«
»Wenn Cher
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