0107 - Die Hand des Hexers
das Messer.
»Seht euch diese Idiotin an!« lachte Sybill Troja.
»Sie muß über die Freude, uns begegnet zu Sein, den Verstand verloren haben«, sagte Flo Danning mit hohntriefender Stimme.
»Sie denkt, uns etwas anhaben zu können, diese verdammte Närrin«, kicherte Chers Ebenbild.
Ein unheimliches Feuer brannte mit einemmal in den Augen der gefährlichen Hexen.
»Tu das Messer weg!« befahl Sybill Troja mit schneidender Stimme.
»Ich will nicht zu dem werden, was ihr seid!« schrie Cher aus vollem Halse.
»Tu augenblicklich das Messer weg!« verlangte nun auch Flo Danning.
Das Flackern in den Hexenaugen nahm zu. Die drei Biester fletschten die Zähne. Sie verzerrten ihre Gesichter. Abgrundtiefe Feindseligkeit schlug Cher Cobalt aus den entstellten Visagen entgegen.
Cher konzentrierte sich auf ihre Doppelgängerin. Sie richtete ihr ganzes Augenmerk nur noch auf dieses Mädchen. Sie hatte immer geglaubt, unfähig zu sein, jemanden ermorden zu können, doch nun war sie davon überzeugt, daß sie es fertigbringen konnte. Sie würde dieses Messer gewissermaßen in ihren eigenen Leib stoßen. Um frei zu sein. Um ihre Seele zu retten. Um vor Hyram Bell sicher zu sein - wie sie hoffte.
Weißglut leuchtete nunmehr aus den Augen der drei Hexen.
Und an ihren Fingern wuchsen lange schwarze Krallen, während ihre Lippen hart und schmal wurden und ein kräftiges Raubtiergebiß entblößten.
Eine eiskalte Faust legte sich um Cher Cobalts Herz und drückte schmerzhaft zu. Die namenlose Angst machte Cher benommen. Sie spürte, daß sie auf eine Ohnmacht zusteuerte, und sie wußte, daß sie augenblicklich handeln mußte, denn sonst würde sie die grenzenlose Furcht so sehr lähmen, daß sie sich nicht mehr bewegen konnte.
Was dann?
Diese schrecklichen Hexen würden sich auf sie stürzen und sie furchtbar mißhandeln.
Sie würden sie mit ihren langen Krallen blutig kratzen und ihr ihre scharfen Zähne tief ins Fleisch schlagen…
Tu es! befahl sich Cher Cobalt. Tu es jetzt! Auf der Stelle! Du darfst keine Sekunde länger zögern!
Sie stemmte sich vom Küchenschrank ab.
Wie vom Katapult geschleudert flog sie auf ihre Doppelgängerin zu. Das Messer mit der langen, blitzenden Klinge zum kraftvollen Stoß hochgehoben. Ihr Herz stand für einen Moment still. Sie atmete nicht. Ihre Muskeln waren straff gespannt. Als sie bei ihrem Ebenbild angelangt war, ließ sie das Messer herabsausen. Sie schloß dabei die Augen, um nicht sehen zu müssen, welches Vernichtungswerk die Klinge verrichtete.
Jetzt!
Jetzt mußte die Klinge den Hals der Hexe treffen! Cher Cobalt erwartete einen kurzen Widerstand, ehe das Messer tief in den Körper der Doppelgängerin eindrang, doch es gab keinen.
Mit voller, ungebremster Wucht sauste der Messerarm herab. Cher riß verdattert die Augen auf und sah, wie die Klinge durch ihr Ebenbild hindurchraste.
Luft!
Die andere war nichts weiter als Luft!
Um ein Haar hätte sich Cher Cobalt mit dem langen Küchenmesser selbst verletzt. Die Klinge wäre ihr beinahe in den Oberschenkel gefahren. Verdutzt ließ sie das Messer fallen.
Sie war ratlos und fassungslos.
Namenlose Angst überflutete sie. Sie hatte all ihren Mut zusammengenommen, um sich von ihrer Doppelgängerin zu befreien, doch diesen Spukgestalten war mit irdischen Waffen nicht beizukommen. So besehen war Cher Cobalt nun um eine Erfahrung reicher, aber was nützte ihr das?
Die drei Biester stimmten ein schrilles Geschrei an.
Sie hoben ihre schwarzen Krallen - und stürzten sich gleichzeitig auf die restlos verstörte Schauspielerin…
***
Die kreischenden Furien peinigten Cher Cobalt. Am schlimmsten trieb es Chers Ebenbild. Sie hackte ihre schwarzen Klauen immer wieder tief in Chers Fleisch. Das gepeinigte Mädchen brach schluchzend und wimmernd zusammen.
Obwohl sie genau spürte, wie die grausamen Hexen ihr Wunden in den Körper rissen, konnte sie an sich keine einzige Verletzung entdecken. Sie blutete nicht, war unversehrt und hatte doch Schmerzen.
Die Hexen waren über ihr.
Cher Cobalt spürte, wie sie ihre Kräfte verließen. Noch einmal mobilisierte sie alles, was sie aufbieten konnte. Atemlos sprang sie auf. Wankend jagte sie aus der Küche. Sie torkelte durch das Penthouse, verfolgt von den fluchenden, schreienden und schimpfenden Furien.
Wie von Sinnen stürmte das Mädchen aus seiner Wohnung.
Cher stürzte sich förmlich die Treppe hinunter. Sie lief, lief, lief - und sie hatte die Hexen dicht auf ihren Fersen.
Acht
Weitere Kostenlose Bücher