0109 - Broadway-Krieg
die Wand neben dem Eingang, sodass er von draußen nicht gesehen werden konnte, seinerseits aber die gesamte Halle überblickte. Außerdem würde er jedem, der die Bank betrat, seine Maschinenpistole in den Rücken drücken können, denn er hielt eine moderne MP in den Händen.
Der dritte Mann sprang kurzerhand über die Schalterbarriere, aber er kümmerte sich nicht um die Kasse, sondern riss die Glastür zu dem abgetrennten Raum auf, in dem sich die Telefonzentrale befand. Während die Telefonistin mit einem Seufzer ohnmächtig vom Stuhl sank, zerschlug er mit dem Knauf seiner Pistole die Vermittlungsanlage.
Der vierte und fünfte Mann stürmten die Kasse. Einer öffnete einen großen Koffer, den er trug. Der andere begann einzupacken, während der Kofferträger seine Pistole auf die Angestellten und die Kunden in der Schalterhalle richtete.
Die Schalterangestellten taten das Vernünftigste. Sie nahmen die Arme hoch. Sie vertrauten auf den Wachmann im Bunker. Gleich würden die Klingeln schrillen, das Gitter würde sich senken und das Gewehr des Wachmannes Kugeln spucken. Die kühlsten Köpfe unter den Bankbeamten sahen sich bereits nach einer guten Deckung um.
Zu diesem Zeitpunkt waren nur drei Kunden in der Schalterhalle. Einer davon war eine Frau. Sie bekam einen hysterischen Anfall und fing an zu schreien. Der Mann, der den Koffer getragen hatte, sprang über den Schaltertisch und schlug sie brutal mit geballter Faust nieder.
Ein Kunde betrat ahnungslos die Bank. Bevor er die Situation übersah, wurde ihm der Lauf der Maschinenpistole in den Rücken gestoßen. Er stolperte nach vorn und nahm die Arme hoch.
Eine Minute später kam ein zweiter Kunde. Er kam nur einen Schritt in die Halle hinein, sah, was los war, und warf sich herum, um zu flüchten. Der Mann mit der Maschinenpistole tat einen Satz und schmetterte ihm den Lauf der Waffe an den Kopf. Der Mann brach lautlos im Eingang zusammen.
Noch immer nicht schrillten die Klingeln, noch immer nicht senkten sich die Gitter, noch immer fielen keine Schüsse.
Der weiße Rauch quoll aus den Schlitzen und verbreitete sich in der Halle.
»Schluss!«, rief der Mann mit der Maschinenpistole. Die Burschen an der Kasse klappten den Koffer zu. Sie setzten über den Schaltertisch zurück. In weniger als einer Minute hatten sich alle fünf zum Eingang zurückgezogen. Vier verließen schnell, aber nicht hastig die Bank. Sie stiegen über den Niedergeschlagenen hinweg, ohne ihn auch nur anzublicken.
Der fünfte Mann, der Maschinenpistolen-Träger, hielt die Menschen im Gebäude mit seiner Waffe in Schach. Erst als seihe Kumpane im Wagen saßen, als der Motor schon lief, drehte auch er sich um. Mit einer raschen Bewegung schob er die MP unter den Trenchcoat, den er trug. Dann lief er die Treppe hinunter, und erst, als er der Schalterhalle schon den Rücken gekehrt hatte, zog er den Schal, der bisher sein Gesicht bis zu den Augen bedeckt hatte, herunter. Dann verschwand er.
Ein junger Angestellter war der erste, der die Straße erreichte. Der ständige Strom der Autos brauste über die 2. Avenue. Fußgänger gingen ahnungslos vorbei. Der Angestellte rief den ersten besten an.
»Haben Sie nicht einen Wagen gesehen, der gerade abfuhr?« Der Mann zuckte die Achseln. Der Angestellte lief die Treppe hinunter und rannte zum nächsten Fernsprecher. Er wählte den Notruf.
»Überfall!«, keuchte er. »Bankraub bei Hesters, Hesters & Co.«
***
Wir erfuhren von diesem Bankraub erst durch die Abendzeitungen. Im Normalfall ist es Angelegenheit der Stadtpolizei, sich um solche Dinge zu kümmer. Das FBI wird nur eingeschaltet, wenn bestimmte Gangstergruppen dahinter vermutet werden.
Die Zeitung gab die Beute an. Immerhin rund 125 000 Dollar. Aber die Schlagzeilen lauteten:
Bankraub ohne einen Schuss! Sicherungsanlage versagt.
Der Mann, der niedergeschlagen worden war, hatte eine schwere Gehirnerschütterung davongetragen, die Frau einen Nervenschock. Es kommt selten vor, dass Banküberfälle ohne Schießerei abgehen. Für Bankräuber ist es charakteristisch, dass sie anfangen, um sich zu schießen, sobald sie die Schalterhalle betreten. Sie wollen die Angestellten einschüchtern und lähmen, und ich glaube, sie wollen sich mit dem Geknalle selbst Mut machen. Bankräuber kommen mir immer vor wie die Amokläufer unter den Gangstern. Sie stürzen sich in ein Abenteuer, dessen Verlauf sie selbst nicht kennen und planen können. Sie suchen das Geld an der Quelle auf, und sie
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