011 - Die Amazonen von Berlin
Sie blickte ihm fest in die Augen und er erkannte die Entschlossenheit darin. »Diese Menschen hier haben mich gerettet und mir ein Zuhause gegeben. Sie bedeuten mir viel. Ich kann sie jetzt nicht einfach sich selbst und diesem unsinnigen Hass auf alle Männer überlassen. Wer außer mir sollte ihnen helfen können, ihn zu überwinden?« Sie runzelte die Stirn. »Außerdem muss ich dringend was für ihre Ernährung tun. Sie essen viel zu viel Fleisch.«
Matt konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen. Jennifer war wieder ganz die alte.
Er stand auf und legte ihr sanft die Hände auf die Schultern. »Ich konnte dich noch nie von irgendwas abhalten, was du dir in den Kopf gesetzt hattest, deshalb werde ich es auch jetzt nicht versuchen. Aber ich werde dich vermissen, Jenny. Irgendwann komme ich zurück, das verspreche ich dir.«
Tränen stiegen in ihre Augen. Sie wand sich aus seinem Griff und reichte ihm das Opfermesser, mit dem sie ihn vor kurzem noch hatte töten wollen.
»Ich weiß nicht, wohin die Mutter deine Ausrüstung gebracht hat, deshalb kann ich dir nur das zum Schutz anbieten«, sagte sie mit erstickter Stimme. »Im Jet findest du dann meine Notausrüstung - falls sich noch niemand daran vergriffen hat. In der Wand hinter dir ist ein versteckter Eingang. Er bringt dich direkt aus meinen Gemächern ins Lager. Ich werde dir den Rücken so gut wie möglich frei halten.« Matt nickte und steckte das Messer in seinen Gürtel. »Wo ist Aruula? Die Frau, mit der ich gekommen bin?«
Jennifer beschrieb ihm den Weg. Er klang nicht sonderlich kompliziert. Zum Abschied umarmten sie sich noch einmal. Dann schob Matt die Felle zur Seite. Das helle Tageslicht, das von draußen herein fiel, blendete ihn für einen Moment.
***
»Matt?«, hielt ihn Jennys Stimme auf. »Ich… ich hoffe, dass du und Aruula auch ein Zuhause finden werdet. Vergeude nicht zu viel Zeit mit der Suche nach Gespenstern aus der Vergangenheit.«
Der Amerikaner lächelte traurig. Dann schoben sich die Felle wieder vor den Eingang. Jennifer blieb allein in ihren Gemächern zurück. Matt lief geduckt am Rand des Lagers entlang. Er hielt sich so weit wie möglich von den Hütten entfernt, zwischen denen geschäftiges Treiben herrschte. Auch ohne seine olivgrüne Kleidung wäre er dort als Mann sofort aufgefallen.
Kaum zu glauben, dass er sich im Reichstagsgebäude aufhielt! Alles hier sah aus wie ein Lager, das man mitten im Wald aufgeschlagen hatte. Nur der Wind fehlte. Die Natur hatte den riesigen Saal in den Jahrhunderten durch das zerbrochene Kuppeldach zurück erobert.
Nach wenigen Minuten entdeckte Matt die Lehmhütte, in der sich Aruula befinden sollte. Er verlangsamte sein Tempo und blieb in der Deckung eines Baumes stehen. Der Eingang der Hütte bestand aus einer einfachen offenstehenden Holztür. Jemand hatte einen Stein davor gelegt, um zu verhindern, dass sie zufiel. Es gab kein Fenster, nur einen Rauchabzug im Dach der Hütte.
Neue deutsche Architektur, dachte Matt trocken.
Im Stil eines Einzelkämpfers legte er sich flach auf den Boden und robbte über das offene Gelände, das zwischen ihm und der offenen Tür lag.
Er hörte Stimmen aus dem Inneren. Zuerst sagte Aruula etwas, dann eine ihm fremde Stimme, die vermutlich zu Aruulas Bewachung gehörte.
Matt wartete einen Moment, aber es blieb bei diesen beiden Stimmen, die anscheinend eine heftige Diskussion führten. Er konnte nicht glauben, dass die Frawen so leichtsinnig waren, nur eine Wache für seine Gefährtin abzustellen.
Gab es vielleicht noch andere, die nur nicht an dem Gespräch teilnahmen?
Matt kam neben der Tür auf die Füße und verharrte, während er in Gedanken seine nächsten Bewegungen durchplante. Die vergangene Nacht hatte ihm schmerzhaft klar gemacht, dass er die Kriegerinnen nicht unterschätzen durfte. Sie kannten keine Skrupel und würden keine Sekunde zögern, ihn zu töten. Trotzdem stieß Matt die Klinge des Messers nach kurzem Zögern tief in den weichen Boden. Vielleicht waren die Frawen skrupellos - er aber nicht. Er wollte keine von ihnen töten. Diese Frauen waren keine Monster, sie waren Menschen, die von falschem Hass geleitet wurden.
Matt hoffte, dass es Jennifer gelang, ihnen eine neue Weltanschauung zu vermitteln. Aber sie würde es sehr schwer haben, wenn der Mann, dem sie zur Flucht verholten hatte, ihre Untertanen umbrachte.
Das war nun wahrlich keine gute Werbung für ein friedliches Zusammenleben der Geschlechter.
Matt spannte sich
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