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011 - Sanatorium der Toten

011 - Sanatorium der Toten

Titel: 011 - Sanatorium der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Larry Brent
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Vater. Kannst du mich verstehen?«
    Sie öffnete
die Augen.
    »Vater?«
fragte sie leise, und Fernand Gourmon fiel im ersten Augenblick ein Stein vom
Herzen. Er hätte am liebsten aufgejubelt. Sie erkannte ihn. Dann konnte es so
schlimm nicht sein.
    Ihre Augen
wurden feucht, füllten sich mit Tränen. »Der Sarg, Vater, im Schlafzimmer, ich
habe ihn gesehen…«
    Er nickte,
strich über ihr langes seidiges Haar. »Schon gut, nun sprich nicht davon. Du
brauchst Ruhe. Man wird dir hier helfen. In einigen Tagen wird alles vorbei
sein.«
    »Es war keine
Halluzination.« Ihre Stimme klang dumpf, verändert, fremd. »Ich erwachte darin,
es war kein Traum. Die Kerze brannte neben der Sargwand. Aber nachher… nachher
war das Zimmer wieder so eingerichtet, wie ich es kannte. Aber davor war alles
schwarz, schwarz und unheimlich, es strahlte die Stimmung des Todes aus…« Dann
schweifte sie plötzlich ab und erzählte von ihrer Arbeit an ihrem Stück
Hüllenlos.
    »Du hast dich
überarbeitet, Kind«, bemerkte Fernand, als sie gerade eine Pause einlegte.
    »Nein, nicht
wie sonst. Ich war allein im Haus und alles lief wie am Schnürchen. Ich konnte
mich selten so gut konzentrieren. Im zweiten Akt, die Verführungsszene, sie ist
mir hervorragend gelungen. Ich brauche sie bestimmt nicht zu überarbeiten.« Und
dann folgten ganze Monologe aus dieser Szene.
    »Der Sarg,
Vater…« Plötzlich fing sie wieder damit an. »Ich habe ihn auch gesehen, als ich
in den Krankenwagen stieg.« Ihre Stimme wurde mit einem Male lauter, ihr Atem
ging schneller. Sie hatte die Augen geschlossen. »Ich habe ihn gefühlt, wie ich
ihn in dem Zimmer gefühlt habe.« Die letzten Worte sprach sie dann wieder
flüsternd, und sie riß dabei die Augen so weit auf, daß das Weiße des Augapfels
zu sehen war.
    Fernand
Gourmon versuchte mit allen Mitteln seine Tochter davon abzubringen. Er
erzählte ihr von seiner Geschäftsreise und davon, daß Monsieur Tapoir in
Bordeaux bereit war, ihr Stück uraufzuführen. Sie ging gar nicht darauf ein.
    Nur zwei
Dinge schienen sie ständig zu beschäftigen: die Halluzination und die Arbeit an
ihrem Stück. Abwechselnd berichtete sie davon.
    Da trat
Professor Mineau von hinten an ihn heran, beugte sich herab und flüsterte: »Es
ist vielleicht besser, wenn Sie das Gespräch an dieser Stelle abbrechen,
Monsieur Gourmon. Sie wird lebhafter, erregter, ich möchte verhindern, daß es
zu einem erneuten Anfall kommt. Die Folgen wären unabsehbar.«
    »Ich werde
mich von ihr verabschieden.«
    Professor
Mineau trat in den Schatten des Zimmers zurück.
    Fernand
Gourmon sprach beruhigend auf seine Tochter ein. Er gab sich Mühe, seine Stimme
sicher und fest klingen zu lassen, doch es schien, als höre Angelique nur mit
halbem Ohr hin.
    Sie lag mit
geschlossenen Augen da.
    »Wenn wir sie
allein lassen, wird sie still vor sich hindämmern, Monsieur Gourmon«, erklang
die Stimme des Professors flüsternd hinter ihm. »Ich werde jetzt, nachdem Sie
da waren, auch dafür sorgen, daß sie zum Schlafen kommt. Die Ruhe wird ihr
unter Umständen guttun«, fuhr er fort, als sie draußen im Gang waren. »Unter
Umständen deshalb, weil ich mir bei Ihrer Tochter nicht ganz sicher bin. Der
Fall ist recht eigenartig.« Er blieb stehen. »Eine Frage, Monsieur Gourmon, ist
es in Ihrem Familienkreis schon einmal zu einem ähnlichen Fall gekommen?«
    »Sie meinen
damit, ob schon jemand geisteskrank war?« Fernand Gourmon wunderte sich selbst,
daß er so gefaßt reagierte.
    Der Professor
nickte.
    »Nein, nicht
daß ich wüßte. In unserer Familie gab es niemals Geisteskranke.«
    »Und von der
Seite Ihrer Frau aus?«
    »Nein, auch
da nicht. Das heißt, soviel mir bekannt ist. Über die Familie meiner Frau weiß
ich allerdings nicht sehr viel, muß ich Ihnen gestehen, Herr Professor. Sie war
stets ein sehr gereiztes, nervöses Wesen, um nicht zu sagen, sie hatte einen
Zug ins Hysterische. Sie verließ uns, als meine Tochter gerade drei Jahre alt
war. Sie brannte mit einem Liebhaber durch. Wir haben nie wieder von ihr gehört…«
    »Hmm«,
bemerkte Professor Mineau hierzu nur, sonst nichts. Sie hatten sein Büro
erreicht, und der Nervenarzt verabschiedete sich von dem Besucher. »Ich werde
Sie auf dem laufenden halten, Monsieur.«
    »Welche
Möglichkeiten sehen Sie, Herr Professor?«
    Der
Angesprochene zuckte die Achseln. »Das kann ich im Moment schwer sagen. Ich bin
kein Hellseher. Ich muß die Untersuchungsergebnisse morgen und übermorgen
abwarten.

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