0110 - Auf den Spuren der Antis
den Piloten vor zwei Stunden aus dem Raum geschickt. Jetzt war nur noch der Arzt anwesend, der versucht hatte, den vor sich hindämmernden Gefangenen mit Spritzen und Medikamenten verhörbereit zu machen. „Er hat viel Blut verloren", erklärte Dr. Silverman. „Die Schußwunde im Oberschenkel will mir nicht gefallen. Dazu kommt natürlich noch die verheerende Wirkung des Rauschgiftes. Mir scheint fast, als ob dieser Mann bereits länger als zwölf Jahre Liquitiv zu sich nimmt. Alle Symptome sprechen jedenfalls dafür."
Die dunklen Augen des Spaniers verengten sich. Die dicke Zigarre zwischen seinen Lippen stand im krassen Gegensatz zu seinem hageren Gesicht. „Er wird also sterben?" fragte Desoga. Mißbilligend beobachtete Dr. Silverman, wie der Agent einen gewaltigen Zug nahm. „Ja, sehr bald sogar."
„Hm." Desoga starrte nachdenklich auf die zusammengesunkene Gestalt, die einige Meter vor ihm in einem Sessel hing. Der Sterbende machte einen intel ligenten Eindruck. „Also gut, Doc", sagte Desoga mürrisch, „bringen Sie ihn zum Reden." Der Arzt wußte, daß es vollkommen sinnlos war, mit einem Agenten zu diskutieren. Seit zwanzig Jahren arbeitete er mit diesen Männern zusammen. Sie trafen ihre Entscheidungen wohlüberlegt. Dr. Silverman bereitete eine weitere Injektion vor. Desoga schien sich nur noch um die Asche seiner Zigarre zu kümmern. Er wartete, bis der Mediziner fertig war. „Wenn wir Glück haben, ist er in zehn Minuten bei vollem Bewußtsein", verkündete Dr. Silverman. „Sie können ihn dann verhören."
„Wie lange?" Dr. Silverman hob seine eckigen Schultern. „Das kommt auf seine Widerstandskraft an. Vielleicht haben Sie Pech, und er spricht nur wenige Minuten. Bestenfalls haben Sie eine knappe Stunde Zeit."
Desoga entschloß sich, auf jeden Fall eine Bandaufnahme zu machen. Er stellte die entsprechenden Geräte ein. Da er sich bei dem Verhör beeilen mußte, blieben ihm kaum Möglichkeiten für die Wiederholung der Fragen. Das Bandgerät war unbestechlich. Es würde jede Einzelheit aufzeichnen und später alles viel besser wiedergeben, als es Desoga vermocht hätte.
Kaum hatte der Agent seine Arbeit beendet, als Dr. Silverman sagte: „Er kommt zu sich." Desoga zog einen Stuhl zu sich heran und schwang sich in umgek ehrter Richtung darüber. Er stützte sein Kinn auf die Stuhllehne. Der Kranke stöhnte leise. Seine Augenlider zuckten. „Sie können jetzt gehen, Doc", sagte Desoga knapp. „Vielleicht brauche ich Sie noch einmal. Halten Sie sich bitte bereit."
„Er wird mich nie mehr benötigen", murmelte Dr. Silverman und verließ den Raum.
Desoga rückte mit dem Stuhl näher an den Fremden heran. „Können Sie mich hören?" fragte er eindringlich. „Verstehen Sie meine Worte?" Der Mann nickte. Er öffnete seine Augen. Sie waren blutunterlaufen. Er sah den Spanier verständnislos an. Desoga entschloß sich, ihm eine Minute Zeit zu geben, um sich einigermaßen zurechtzufinden. „Wo bin ich?" stammelte der Verletzte. „Auf der Erde", log Desoga. Der Mann spürte den kommenden Tod, und jeder Terraner in seiner Lage sehnt sich danach, vor seinem Ende auf der Erde zu sein. „Sie sind in einem Krankenhaus."
„Krankenhaus?" wiederholte der Süchtige stumpfsinnig.
Desoga ergriff eine Hand seines Gegenübers und schüttelte ihn sanft. „Wir möchten wissen, wer Sie sind."
„Dr. Nearman", brachte der Mann mit einem gewissen Stolz hervor. „Ich bin der bekannte Biologe und Astromediziner."
Desoga hatte noch nie von einem Dr. Nearman gehört. Ohne, daß eine weitere Frage gestellt wurde, fuhr Dr. Nearman mit seinen Erklärungen fort. „Vor achtunddreißig Jahren habe ich die Erde verlassen", sagte er. Desoga bemerkte mit Schrecken, wie sich die Pupillen des Biologen ständig veränderten, obwohl die Beleuchtung im Raum konstant blieb. Lag das an der stimulierenden Wirkung der Injektion, oder ging es bereits mit ihm zu Ende? „Was haben Sie auf Lepso getan?" wollte Desoga wissen.
In der folgenden halben Stunde gab Dr. Nearman einen unzusammenhängenden Bericht ab, in den Desoga immer wieder mit Zwischenfragen Klarheit bringen mußte. Dr. Nearman hatte mit einem Mann namens Dr. Edmond Hugher - kein anderer als Thomas Cardif - Freundschaft geschlossen. Zusammen arbeiteten sie an der Weiterentwicklung von Liquitiv. Desoga nahm an, daß man Dr. Nearman nur Liquitiv gegeben hatte, um ihn fest an die verbrecherische Organisation zu binden. Die Vermutung von Dr. Silverman, daß der
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