0110 - Die Geistergrotte
schließlich in die Sänfte heben.
Die Pferdekarawane setzte sich in Bewegung.
Zamorra ahnte bereits jetzt, daß am Ziel des Ritts sein Leidensweg erst richtig beginnen würde.
Und mit dieser Ahnung sollte er sich nicht getäuscht haben.
***
Zygor war an sich kein Mann, den man so leicht verblüffen konnte. Diese Welt jedoch, in die er sich mit Hilfe des Großen Hamaroth versetzt hatte, überschüttete ihn mit ganzen Wellen des Erstaunens. In seinen wildesten Phantasien hätte er sich nicht träumen lassen, daß es all dies wirklich gab, was nun auf seine Sinne einströmte.
Unglaublich riesige Metallvögel, die donnernd durch die Lüfte flogen… Gebäude, die Giganten erbaut zu haben schienen… Kaltes Licht, das nicht von der Kraft des Feuers gespeist wurde… Wunder über Wunder… Es waren so viele, daß er nicht im entferntesten daran denken konnte, sie in kurzer Zeit alle in sich aufzunehmen.
Die weite Reise hatte ihn in ein Land und in eine Zeit geführt, wo die Magie unerhörte Triumphe feierte. Er würde es schwer, sehr schwer haben, sich in dieser Welt durchzusetzen.
Aber Zygor ließ sich nicht einschüchtern. In seiner Welt war er ein mächtiger Mann gewesen, gefürchtet und bewundert von allen Menschen, denen er gegenübertrat. Er nahm sich fest vor, auch in dieser Welt die Rolle zu spielen, die ihm kraft seines überlegenen Geists und seiner Verbundenheit mit dem Großen Hamaroth zustand.
Zuerst einmal aber galt es, sich zurechtzufinden. Wer war der Mann, in dessen Körper er geschlüpft war?
Ein Magier, fraglos. Der Fetisch auf seiner Brust ließ daran keinen Zweifel aufkommen. Sein Talisman und das Amulett dieses Mannes waren durch unsichtbare Bande mit der Welt des Jenseits verknüpft. Und nur durch diese Verknüpfung war es überhaupt möglich gewesen, den Sprung durch die Dimensionen zu unternehmen und den Körpertausch herbeizuführen.
Zamorra, so hatte ihn der blonde Mann verschiedentlich angesprochen. Der Blonde war offenbar ein Freund dieses Zamorra, den er nun verkörperte. Natürlich verstand der blonde Mann nicht, was vorgefallen war. Er zeigte sich verblüfft, daß Zamorra seine Sprache nicht mehr sprach und sich auch sonst anders verhielt als gewohnt. Aber er war sichtlich nicht nur verblüfft, sondern auch besorgt. Alles sprach dafür, daß er bereit war, zu helfen, daß er glaubte, Fürsorgepflichten erfüllen zu müssen.
Zygor war voll und ganz damit einverstanden. Dieser Mann war wie geschaffen dazu, ihm die Eingewöhnung in der neuen Welt zu erleichtern, ihn mit allem vertraut zu machen, was er unbedingt wissen mußte. Daß der Blonde ihn durchschaute, befürchtete er nicht. Er würde einfach so tun, als ob er das Gedächtnis verloren habe. So etwas hatte es in seiner Welt gegeben. Und er sah keinen Grund, warum ähnliches nicht auch in dieser Welt Vorkommen sollte.
Ein Problem war natürlich Livana. Das Mädchen begriff überhaupt nicht, was mit ihr geschehen war. Sie glaubte, ins Reich der Dämonen versetzt worden zu sein und stand am Rande des Wahnsinns. Immerhin war es ihm gelungen, ihr handgreiflich klarzumachen, daß sie sich besser zusammenriß. Er hatte ihr versprochen, sie eiskalt umzubringen, wenn sie nicht aufhörte, unliebsames Aufsehen zu erregen. Und wie es schien, hatte sie begriffen, daß er es ernst meinte. Jedenfalls gab sie sich augenblicklich ergeben und friedlich. Zygor war sich jedoch im klaren darüber, daß er ein wachsames Auge auf sie halten mußte. Unter allen Umständen mußte er verhindern, daß sie ihn irgendwie verriet.
Er schreckte aus seinen Überlegungen hoch, als der blonde Mann vor einem dieser kastenförmigen Dinger mit vier Rädern stehenblieb, die in dieser Welt fast so zahlreich zu sein schienen wie die Menschen. Starke magische Kräfte mußten in diesen Räderkästen wirksam sein, bewegten sie sich doch vorwärts, ohne von Wind, Wasser oder Zugtieren angetrieben zu werden.
Livana zeigte sich dann auch entsprechend furchtsam, nachdem der Blonde den Kasten geöffnet hatte und ihr bedeutete, hineinzuklettern.
»Steig ein!« zischte ihr Zygor zu. »Sonst hexe ich dir den langsamen Tod ins Herz.«
Das Mädchen wurde blaß, gehorchte jedoch. Zitternd kroch sie in den Kasten hinein.
Zygor wurde sich bewußt, daß der Blick des blonden Mannes auf ihm ruhte. Der Blick war voller Mißtrauen. Der Magier verstand dieses Mißtrauen. Es mußte den Mann seltsam berühren, wenn er sah, daß er und Livana sich in einer ihm unbekannten Sprache
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