0110 - Wer andern eine Grube gräbt
daran. Mit Hilfe des glimmenden Tabaks gelang es mir, die penetranten Gerüche etwas zu übertönen.
Obgleich es noch heller Tag war, brannte in dem Flur eine trübe Glühbirne. Sie hätte einen Staublappen gut vertragen können. Ihre Leuchtkraft wäre sicherlich gestiegon, wenn mau die Dreckschicht entfernt hätte, die sie umgab. Aber in der Beziehung bestand hier wohl wenig Hoffnung.
Langsam ging ich den Flur entlang, bis ich i u der Abzweigung des zweiten Korridors kam. An der Ecke blieb ich stehen, preßte mich mit dem Rücken gegen die Wand und lauschte.
Kein Geräusch war zu hören. Nicht das leiseste. Und gerade das kam mir verdächtig vor. Nachmittags um sechs ist es in keinem Haus totenstill. Höchstens in der städtischen Leichenhalle.
Nachdem ich ungefähr zwei Minuten regungslos an der Wind gelehnt und gelauscht hatte, beschloß ich mich zu einem Überraschungsangriff. Ich zog leise meine Dienstpistole aus dem Schulterhalfter, entsicherte sie mit dem Daumen, wobei ich den Sicherungsflügel nur ganz langsam beiseiteschob, damit es nicht dieses charakteristische Geräusch geben konnte, wenn er gegen den Widerstand stieß.
Dann stand ich mit einem breiten Schritt mitten im Korridor und sagte leise:
»Nimm die Arme hoch und sage keinen Ton, my Boy, sonst knallt’s!«
Genau vor der vierten Tür auf der rechten Seite hob ein überraschter Jüngling mit stupidem Boxergesicht seine Ärmchen. In der rechten Hand hielt er einen schweren fünfundvierziger Colt, aber er war vernünftig genug, es gar nicht erst auf eine Schießerei ankommen zu lassen.
Ich ging leise zu ihm hin. Auf halbem Wege fiel mir etwas Besseres ein. Ich winkte ihm. Er kam zögernd näher.
Es war keine Schwierigkeit, diesem Anfänger die Kanone wegzunehmen. Danach zog ich ihn leise den Flur entlang bis knapp vor die Tür ins Lokal.
»Du gehst da hinein!« sagte ich ihm. »Aber laß die Ärmchen oben, sonst könntest du einen bösen Empfang erleben.«
Er nickte ängstlich und schlich in die Kneipe. Phil würde schon verstehen, was es bedeuten sollte, wenn einer mit erhobenen Armen bei ihm aufkreuzte.
Ich huschte meinen Weg zurück bis zu dem Zimmer, in dem Cellham wohnen sollte. Vorsichtig bückte ich mich und versuchte, durchs Schlüsselloch zu sehen. Es war nicht viel zu erkennen, aber daß mehrere Männer in dem Raum waren, konnte ich erkennen.
»… gar nicht so schlecht abgeschnitten«, sagte einer gerade. »Es hätte viel weniger sein können.«
Ich lugte noch einmal durch das Schlüsselloch. Einer der Männer hatte ein Päckchen Banknoten in der- Hand und zählte es.
»Aber was machen wir mit dem Schmuck?« fragte einer.
»Den bringen wir bei Joe unter«, erwiderte ein anderer. »Joe nimmt alles ab, was du nur denken kannst. Und er zahlt einigermaßen vernünftig. Viel mehr als zehn Prozent des echten Preises werden wir natürlich nicht kriegen. Das ist nun mal so. Aber es wird doch noch ein paar Tausender dabei geben.«
Ich richtete mich auf. Grinsend dachte ich daran, daß vor ein paar Tagen ein verwegener Raubüberfall auf den Juwelierladen von Hull & Brothers verübt worden war. Außer Schmuck im Wert von siebzigtausend Dollar hatten die Täter auch an die elftausend Dollar Bargeld erbeutet, denn an diesem Tag hatte die Firma ein paar wertvolle Perlenketten verkaufen können an bar zahlende Kunden, und das Geld war noch in der Kasse gewesen, als die Gangster kamen.
Ich holte Luft und riß die Tür auf.
»FBI! Hände hoch! Keine Bewegung!« rief ich. Und dann bluffte ich sie mit einer alten Masche. Ich tat so, als riefe ich etwas, was für Leute in meinem Rücken bestimmt war: »Okay, Jackie, hier' sind sie! Ihr braucht die anderen Zimmer nicht nachzusehen!«
Cellham, den ich von früher her kannte, hatte schon ziemlich verlangend hinüber zu einem Tisch geschielt, auf dem sein Halfter mit der Pistole lag. Nach meinen an gar nicht vorhandene Kollegen gerichteten Worten gab er es aber auf. Wie vielen Gangstern hatten ihm die drei Buchstaben FBI schon so einen gehörigen Schock eingejagt.
Ich überflog mit einem raschen Blick die Versammlung. Es waren insgesamt vier Männer anwesend. Ich durfte sie nicht zum Nachdenken kommen lassen, sonst würde ihnen auffallen, daß draußen im Flur kein Laut zu hören war und auch keine Verstärkung für mich auf der Bildfläche erschien.
»Du gehst nach drüben zu der Wand!« fauchte ich den an, der mir am nächsten stand. »Arme hoch vorstrecken und mit den Händen gegen die
Weitere Kostenlose Bücher