0110 - Wer andern eine Grube gräbt
brauchen Tom Garrison. Wo steckt er?«
Er hob den Kopf.
»Was hat er ausgefressen?«
Ich zuckte die Achseln.
»Sie werden es nicht glauben — von uns aus gesehen gar nichts. Da —«
Ich schob ihm eine Abendausgabe zu, in der Garrisons Ermordung bereits in großen Schlagzeilen in die Welt posaunt wurde. Allerdings hatte unsere Pressestelle die Sache mit den zehntausend Dollar strickt geheimgehalten. Dadurch fehlte für die Herren Reporter ein Motiv für die Tat. Ihrer Gewohnheit folgend, rätselten' sie in verschwommenen, wichtigtuerischen Andeutungen herum, warum der alte Garrison ermordet worden sein könnte.
»Ist das — ?« fragte Cellham.
»Sein Vater«, sagte ich. »Er wurde erschossen. Wir möchten in diesem Zusammenhang mit dem jungen Garrison sprechen. Vielleicht kann er uns einen Tip geben, wer seinen Vater ermordet hat.«
»Sonst liegt nichts weiter gegen ihn vor?«
»Wir wissen jedenfalls von nichts. Wie wir Garrison kennen, hat er bestimmt kein reines Gewissen, aber wir haben nichts gegen ihn vorliegen, was wir ihm beweisen könnten.«
»Geben Sie mir die Zigaretten«, sagte er.
Ich schob sie ihm hin.
»Die Streichhölzer«, forderte er.
Er bekam sie.
»Sagen Sie Ihren Kollegen Bescheid, daß ich in meiner Zelle rauchen darf.« Ich griff zum Telefon und wählte den Hausanschluß des Zellentraktes im Keller.
»Hallo, Jimmy«, sagte ich, als sich der Wachhabende gemeldet hatte. »Hier ist Jerry. Wir haben bei euch gerade die Cellham-Gang eingeliefert. Richtig, die sind es. Ich bin dabei, mit Cellham ein Geschäft abzuschließen. Er sagt mir etwas, und dafür darf er in seiner Zelle rauchen. Einverstanden?«
»Sicher, Jerry, wenn dir damit gedient ist.«
»Das ist mir. Vielen Dank, Jimmy.« Ich legte den Hörer auf.
»Die Sache geht in Ordnung. Und nun raus mit der Adresse!«
Cellham steckte sich die erste Zigarette an. Er sog gierig den Rauch ein. Dann grinste er und sagte lachend:
»Sailor’s Heaven, Zimmer 5! Sie hätten nur eine andere Tür aufzumachen brauchen, hahahahahaha!«
Ich glaube, ich habe ihn ziemlich verdattert angesehen.
***
Tom Garrison sah jünger aus als er war. Er trug- eine Bürstenfrisur und hatte harte, brutale Gesichtszüge. Wir nahmen ihn aus der Kneipe mit, ohne ihm eine Erklärung zu geben. Wir vertrösteten ihn auf die Ankunft im Districtsgebäude. Aus seinen wüsten Schimpfreden machten wir uns nichts. Wir hatten von Berufs wegen dauernd mit solchen Leuten Umgang.
Erst als wir uns in unserem Office gegenübersaßen, wurde er ruhiger. Auch ihm war das schlechte Gewissen anzumerken. Und zwar — wie fast immer bei den Schuldigen — durch seine Frechheit.
»So!« brüllte er, als Phil die Tür hinter sich zumachte. »Jetzt sind wir hier! Jetzt reißt endlich euer Maul auf! Was soll ich hier? Das ist eine glatte Freiheitsberaubung! Verstanden? Glatte Freiheitsberaubung!«
Wir kümmerten uns überhaupt nicht um ihn. Einmal hat sich der wütendste Mensch abreagiert.
Er tobte eine Weile herum. Als es Phil zu arg wurde, stellte er sich vor den brüllenden Gangster hin und sagte kaltblütig:
»Wenn Sie nicht langsam leisetreten mein Lieber, dann werfe ich Sie hier raus!«
»Na los doch!« höhnte Garrison. Er stand auf und wandte sich zur Tür.
Phil stellte sich seitlich neben ihm auf.
»Gern«, lächelte er. »Nur werden Sie auf Ihrem Weg zur Tür stolpern, verlassen Sie sich darauf. Und ich werde dieses Stolpern als einen getarnten Angriff auf mich auffassen. Dann kann ich Ihnen endlich die Tour verabreichen, die mir schon lange in den Fingerspitzen juckt.«
Er hatte es ganz freundlich gesagt. Und ich wußte genau, daß Phil niemals auf diese Tour eine Schlägerei einfädeln würde. Aber Garrison konnte das nicht wissen, und es war genau das richtige Rezept für ihn. Er senkte den Kopf und war auf einmal wesentlich friedlicher.
»Setzen Sie sich wieder hin, Garrison«, sagte ich. »Und bleiben Sie jetzt vernünftig, sonst hängen wir Ihnen eine Klage wegen Beamtenbeleidigung an. Dabei ziehen Sie mit Ihren Vorstrafen den kürzeren, das wissen Sie ja wohl selber.«
Er wollte wieder aufmucken, überlegte es sich aber anders und ließ sich zurück auf den Stuhl fallen.
»Wann haben Sie Ihren Vater zum letztenmal gesehen?« fragte ich beiläufig.
Er sah uns verdutzt an, dann brummte er:
»Das war vor ungefähr vierzehn Tagen. Genau weiß ich das nicht mehr.«
»Was wollten Sie von ihm? Oder wollte er etwas von Ihnen?«
Er schüttelte den
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