0110 - Zargos, der Dämon
Dämon, der vorhin in Gestalt des Arztes zu ihm gekommen war, hatte ihn zu dieser Tat gezwungen. Von sich aus hätte Frank Serapho es niemals versucht.
Dann stellte ich jedoch fest, daß er gleichmäßig atmete. Der lange Splitter war aus seiner Hand geglitten.
Auch das gehörte zu den Phänomen, die sich nicht mit normalen Mitteln erklären ließen – seine Haut war nicht einmal geritzt. Dabei hatte er mit seinen Fingern das scharfkantige Glas umspannt. Ich hatte es genau gesehen.
Im nächsten Moment schlug Frank Serapho die Augen auf. »Was ist denn geschehen, Mr. Sinclair?« fragte er verwirrt. »Ich fühle mich benommen.«
»Sie haben eine Mineralwasserflasche zerschlagen«, sagte ich und beobachtete ihn gespannt.
»Tatsächlich?« Er schüttelte den Kopf. »Und wieso kann ich mich nicht daran erinnern? Habe ich geschlafen?«
»Nein, Frank! Sie haben versucht, mich mit den Splittern zu erstechen.«
Er glaubte mir erst, als ich ihm alles haargenau schilderte. Nun konnte er sich daran erinnern, aber er hatte gedacht, es wäre nur einem Alptraum entsprungen.
»Lieber Himmel«, flüsterte er schreckensbleich. »Was geschieht jetzt mit mir, Mr. Sinclair?«
Ich verstand seine Frage nicht sofort und sagte ihm das.
»Na, ich habe einen Mordversuch begangen.« Er schluckte heftig.
»Das ist doch strafbar!«
Wenigstens in diesem Punkt konnte ich ihn beruhigen. »Niemand macht Ihnen einen Vorwurf, ich schon gar nicht. Sie haben nicht aus freien Stücken gehandelt. Wenn ich diesen Raum verlasse, ist die Sache vergessen.«
Und dann sagte ich etwas, womit ich endlich ein Lächeln auf sein Gesicht brachte, wenn auch ein sehr schmerzliches.
»Genauso muß es Ihrer Mutter ergangen sein, Frank. Sie wollte den Polizisten nicht töten, aber sie mußte es tun. Sie war nicht mehr Herr über ihren Willen.«
Er lehnte sich erschöpft aber entspannt in die Kissen zurück. »Danke, Mr. Sinclair«, sagte er, und seine Augen schimmerten feucht. »Ich danke Ihnen! Bis jetzt habe ich mich nur an meinen Glauben, an die Schuldlosigkeit meiner Mutter geklammert. Nun weiß ich, daß ich recht hatte. Sie war keine Mörderin!«
Ich fragte ihn noch einmal behutsam nach Zargos. Der junge Mann machte einen völlig erschöpften Eindruck.
»Ich glaube, der Katalog liegt noch in unserer Wohnung«, sagte er.
»Genau weiß ich es nicht.«
Ich bedankte mich und ließ von einer Krankenschwester Dr. Peshora holen. Die zerbrochene Flasche stellte ich als Mißgeschick hin, und von dem Mordanschlag sagte ich kein Wort. Er würde auch später nicht in den Akten auftauchen. Nur meine engsten Vertrauten durften davon erfahren.
Frank Serapho hatte es in seinem Leben schwer genug. Da durfte ich ihm keine zusätzlichen Schwierigkeiten machen.
Ich verließ das Krankenhaus mit dem Vorsatz, mich um dieses Versandhaus namens Zargos zu kümmern. Es hätte schon ein sehr unwahrscheinlicher Zufall sein müssen, wenn es da keinen Zusammenhang mit dem Dämon gleichen Namens gab.
Um mehr über Zargos zu erfahren, mußte ich in die Wohnung der Seraphos. Dazu kam es jedoch nicht. Ich fragte nämlich vorher routinemäßig im Yard an.
Meine Kollegen hatten nichts Sensationelles von den Krankenschwestern erfahren, die Suko angegriffen hatten. Alle bestritten natürlich, überhaupt im Hospital gewesen zu sein, und wir konnten ihnen nichts nachweisen. Daher ließ ich dieses Problem vorläufig auf Eis liegen. Sie hatten sicher genausowenig freiwillig gehandelt wie Mrs. Serapho oder Randolph Lavender.
Schon wollte ich das Gespräch beenden und mich bei Shao nach Suko erkundigen, als der Kollege im Yard mit einer Nachricht für mich herausrückte. »Sir! Miß Collins wartet bereits seit zwanzig Minuten in Ihrem Büro auf Sie. Soll ich ihr etwas bestellen? Sie sagte, es wäre sehr dringend! Wörtlich sagte sie sogar: lebenswichtig.«
»Sagen Sie, daß ich auf dem Weg in Mrs. Seraphos Wohnung bin.« Ich fügte die Adresse in Selhurst hinzu. »Wenn es wirklich so dringend ist, soll sie zu mir kommen.«
Ich beendete das Gespräch und schaltete das Autotelefon ab. Dann machte ich mich auf den Weg. Es war nicht besonders weit, und ich fieberte der Durchsuchung entgegen. Von ihr erhoffte ich mir einen entscheidenden Hinweis.
Zargos war zwar ein Dämon, der selbst nicht töten konnte. Deshalb war er jedoch um keinen Deut harmloser als andere meiner Feinde unter den Schwarzblütlern. Denn was ihm an Macht fehlte, ersetzte er durch Tücke und Hinterlist. Und daß er
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