0111 - Unter falscher Flagge
Möglichkeiten in Betracht gezogen. Auch den nun eingetretenen Notfall. Sie wußten, daß eine Anpeilung unmöglich war und man sie niemals finden konnte. Sie aber hatten alle technischen Voraussetzungen geschaffen, jede Bewegung des Gegners genau zu beobachten und sich darauf einzurichten.
Von der Festung aus senkte sich bis auf das Niveau des Meeresgrundes ein Schacht hinab, der sich dann in waagerechter Richtung fortsetzte. Hundert Meter unter dem Boden des Ozeans, durch festes Urgestein, lief ein Kabel noch zweitausend Kilometer weit und endete in einer ferngesteuerten Funkstation. Sie bestand aus einem druckfesten Gehäuse, das sich nach Belieben ausfahren ließ, um senden oder empfangen zu können. Im Falle einer zufälligen Anpeilung konnte man die unbemannte Station jederzeit in das sichere Gestein absinken lassen. So war es möglich, daß man auch durch eine aufsteigende Antenne Bilder von der Oberfläche empfangen und entsprechend auswerten konnte. Senden ließ sich vom Meeresgrund aus.
Thomas Cardif und ein älterer Baalol-Priester saßen in der Funkzentrale der Festung und betrachteten die verschiedenen Bildschirme, die reihenweise an der Wand angebracht waren. Eine sinnreiche Antennenanordnung machte es möglich, daß sich mit nur einem Empfangsgerät mehrere Bilder einfangen ließen. So erhielten die Antis einen genügenden Überblick der Geschehnisse auf der Oberfläche.
Als Rhodans Funkspruch eintraf, wußten sie, daß der Terraner nicht bluffte. Sie wußten, daß Okul von einer Riesenflotte eingeschlossen war. Sie ahnten, daß Rhodan fest entschlossen war, die angedrohte Vernichtung des Planeten wahr werden zu lassen.
Cardif sah seinem Vater zum Verwechseln ähnlich. Nur ein sehr guter Beobachter hätte vielleicht - sähe er Cardif und Rhodan gleichzeitig vor sich - die eine oder andere Gesichtsfalte vermißt.
Cardifs Augen schienen nicht nur grau, sondern auch etwas gelblich zu sein, aber das war auch der einzige wirkliche Unterschied. Er saß in einem bequemen Sessel und starrte mit düsterer Miene auf die Bildschirme.
„Ich wüßte keinen Ausweg", sagte er. Der Priester warf ihm einen abschätzenden Blick zu. Er hatte einen dichten Vollbart und erinnerte an einen Springerkapitän. Vielleicht war einer seiner Vorfahren ein Patriarch gewesen, durchaus möglich. Doch jetzt war er ein Hohepriester des Baalol-Kultes.
„Es gibt einen", erwiderte er knapp, „und wir werden ihn finden."
Aus dem Lautsprecher wiederholte sich nun zum zehntenmal Rhodans Ultimatum, dann schwieg die fremde Stimme. Ein Knacken verriet, daß die Geräte der Terraner auf Empfang gegangen waren.
Cardif sah auf die Uhr: „Wir haben keine zwei Stunden mehr, Rhobal. Eine viel zu kurze Zeitspanne, um einen Plan auszuarbeiten. Rhodan wollte nur dafür sorgen, daß sein Nachschub an Liquitiv gesichert ist. Wenn er die Schlammbohrer in seine Laboratorien bringt, hat er das Rätsel gelöst. Er entdeckt die Drüsensekrete und wird bald die Produktion anlaufen lassen.
Der Priester lächelte überlegen. „Du irrst, Cardif. Natürlich werden Rhodans Forscher das Sekret entdecken, aber das hilft ihnen nicht weiter. Sie können sogar Liquitiv herstellen, nur ist es nicht das Liquitiv, sondern nichts weiter als ein begrenzt wirkendes Zellerneuerungsmittel. Das solltest du doch am besten wissen.
Rhodans Ultimatum scheint dir einen Teil deiner Kaltblütigkeit geraubt zu haben, sonst hättest du nie diese Bemerkung gemacht.
Aber liegt nicht in der Doppelwirkung des Liquitivs eine Chance für uns?"
Cardif dachte nach, dann schüttelte er den Kopf.
„Ich sehe nicht ein, wie uns das weiterhelfen könnte. Ehe Rhodan seinen Irrtum einsieht, sind wir tot. Er wird auf keinen Fall zögern, sein Ultimatum einzuhalten. In zwei Stunden beginnt er mit der Vernichtung des Planeten. Damit entzieht er auch gleichzeitig den Bewohnern der Milchstraße das Liquitiv. Es wird zu einer Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes kommen, wenn die Süchtigen zu toben beginnen. Nicht nur auf der Erde, sondern überall, wo galaktischer Handel betrieben wird. Es ist nur schade, daß ich das nicht mehr erleben kann."
Cardifs Stimme klang in der Tat bedauernd. Er schien wirklich traurig darüber zu sein, die Verwirklichung seines teuflischen Plans nicht mehr selbst erleben zu dürfen; sein eigener Tod wurde in diesem Fall zweitrangig.
Rhobal sah zu den beiden Antis, die vor den Funkgeräten hockten.
„Wir müssen versuchen, Zeit zu gewinnen. Wie können wir
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