0112 - Acht Minuten nach Mitternacht
paar Gläser und die Flasche zu holen. »Einen Augenblick. Ich besorge noch etwas Eis aus dem Kühlschrank.«
Er war von einer hektischen Geschäftigkeit. Das Mädchen war in einen Sessel gesunken und sprach kein Wort. Sie starrte mich nur an.
»Nehmen Sie sich zusammen, Gaby«, flüsterte ich.
Sie nickte und gab sich offenbar Mühe ein gleichmütiges Gesicht zu machen, was ihr aber nicht ganz gelang. Willets kam zurück, warf ein paar Eiswürfel in die Gläser und schenkte ein.
»Ich dachte, Sie seien verreist«, meinte er bedeutungsvoll.
»Da haben Sie mich missverstanden, Sam. Nur Evelyn ist verreist. Sie besucht eine Tante im Süden. Ich kann leider nicht weg. Sie wissen ja selbst wie das ist, Geschäfte.«
»Geschäfte«, brauste er auf. »Die verfluchten Geschäfte. Wenn ich nur einmal nichts mehr davon hörte.«
Er goss seinen Drink durch die Kehle. Gaby nippte nur, und ich nahm einen ordentlichen Schluck.
»Was ist eigentlich mit Bob Shaw los?«, fragte er. »Ich war um die Mittagszeit dort, um mir etwas Bewegung zu machen, aber es war alles verschlossen.«
Gott sei Dank, dachte ich. Seine Frage hatte so harmlos geklungen, dass ich sicher war, er wusste wenigstens von diesem Verbrechen nichts. So konnte kein Mensch schauspielern.
»Ich kann es Ihnen nicht sagen, Sam. Ich bin seit vorgestern nicht dort gewesen.«
»So«, erwiderte er mit gerunzelter Stirn. »Niemand scheint dort gewesen zu sein. Ich fragte gerade vorhin Kantor, der mich besuchte, und er gab mir dieselbe Antwort.«
»Ich begreife nicht, dass Sie sich immer noch mit den beiden üblen Gestalten abgeben«, bohrte ich. »Ich würde mich vor ihnen in Acht nehmen.«
»Ich bekomme sie los«, knirschte er, und ich merkte, wie die zurückgedämmte Wut in ihm anstieg. »Die kleben an mir wie die Blutegel. Aber nicht mehr lange.«
»Werfen Sie sie doch einfach hinaus«, schlug ich vor.
»Als ob das so einfach wäre. Sie sagten ja vorhin selbst, dass es Geschäfte sind die Sie verhindern, wegzufahren. Da Gleiche gilt für mich. Ich habe mich auf ein Geschäft eingelassen, das ich erst ab wickeln muss. Ich würde sonst einen untragbaren Verlust erleiden.«
In diesem Augenblick war ich versucht, die Maske fallen zu lassen, aber ich tat es nicht. Meine Überzeugung, Willets stecke so sehr in der Klemme, dass er dann erst recht nichts ausplaudern würde, war so stark, dass ich es nicht riskieren wollte.
»Es gibt Verluste, die schwerer wiegen wie Geld«, sagte ich betont. »Ich jedenfalls würde die Verbindung unter allen Umständen abbrechen.«
»Sie können die Kerle eben nicht leiden, und wahrscheinlich haben Sie Recht, aber ich muss noch ein paar Tage zusehen.« Er starrte über mich hinweg gegen die Wand und trommelte nervös mit den Fingerspitzen.
»Ich muss mich übrigens noch wegen meines blöden Benehmens von gestern bei Ihnen entschuldigen«, fuhr er fort. »Kantor kann Sie genausowenig schmecken wie Sie ihn. Warum, weiß ich nicht. Da ich dem Kerl jede Gemeinheit zutraue, habe ich Ihnen gestern geraten, vorübergehend zu verreisen. Heute habe ich mich davon überzeugt, dass der Bursche nicht ernst zu nehmen ist. Ich glaube, dass meine Sorge imbegründet war.«
»Um so besser«, sagte ich und überlegte mir, was ihn wohl zu dieser Sinnesänderung bewogen haben mochte.
Ich konnte mir das nur so erklären, dass Kantor vorher geglaubt hatte, ich sei nichts weiter als neugierig und er könne mich durch Drohungen veranlassen, meine Nase herauszuhalten. Jetzt wusste er, dass das zwecklos sein würde, und er hatte wohl Willets gesagt, er habe kein Interesse mehr an mir.
Das war eine Lüge. Die Gangster -ich war nicht mehr im Zweifel, dass sie wirklich skrupellose Gangster waren -mussten ein weitaus größeres Interesse an mir haben als je zuvor. Wenn sie Willets zurückgepfiffen hatten, so konnte das zweierlei bedeuten, nämlich dass sie, wie Gaby gehört hatte, einfach untergrund gingen, bis Gras über ihre Verbrechen gewachsen wäre, oder aber, dass sie sich von nun an selbst um mich kümmern würden. Wenn aber Leute wie Kantor sich mit jemandem, der ihnen gefährlich war, beschäftigten, so musste dieser lausig aufpassen.
Das alles ging mir durch den Kopf, während wir über gleichgültige Dinge redeten, und ich war sicher, dass auch Sam Willets durchaus nicht bei der Sache war. So verabschiedete ich mich, so bald ich das unauffällig tun konnte. Gabys Händedruck war fest und dankbar. Sie konnte nicht mit Worten zum Ausdruck
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