0112 - Das Hexendorf
zusammenkneifen. Das grelle Tageslicht schmerzte ihn, nachdem er viele Stünden in dem finsteren Gewölbe zugebracht hatte.
Zamorra eilte durch den Bergwald hinunter, bald schon hörte er das Heulen des Höllenhundes oben vom Schloß her. Seine Vermutung hatte ihn also nicht getrogen, Zsoltan suchte seine Fährte. Ausgepumpt und schweißgebadet erreichte Zamorra den Waldrand.
Er war etwa anderthalb Kalometer von jener Brücke entfernt, an der er sich am Vorabend mit Nicole Duval getroffen hatte. Felder und Wiesen und das von bewaldeten Berghängen umgebene Städtchen Czerkössy lagen im Sonnenschein. Die Vögel zwitscherten in den Bäumen.
Aber das friedliche Bild trog, das gelegentliche Aufheulen des Höllenhundes Zsoltan erinnerte Zamorra immer wieder daran. Wo konnte Zamorra Zuflucht suchen, wie den dämonischen Wolfshund bekämpfen? Seine Taschen waren ausgeleert worden, er hatte nicht mal mehr Kleingeld einstecken.
Auf einen Baum zu steigen, würde dem Professor nichts nützen. Es war ihm auch zu albern, dort oben zu sitzen, von Zsoltan bewacht, bis die Hexen von Czerkössy ihn herunterpflückten.
Zamorra sah zum Stadtrand hinüber. Konnte er sich in einem Haus, einer Hütte oder einem Schuppen verstecken? Der Blick des Professors schweifte. Zsoltan heulte in halber Höhe des Schloßbergs.
Da bemerkte Zamorra eine Kapelle, die bei einem von einer Mauer umgebenen Gelände aufragte. Das mußte der Friedhof sein, das war vielleicht die Fluchtstätte.
Im Dauerlauf eilte Zamorra über Wiesen und Felder, er mußte gut zwei Kilometer zurücklegen. Einige Männer und Frauen, die auf dem Feld arbeiteten, bemerkten ihn, doch sie fuhren mit ihrer Arbeit fort.
Als er den Friedhof erreicht hatte, hämmerte Zamorras Herz wie rasend. In seiner linken Seite stach es, seine Lungen arbeiteten wie Blasebälge. Ohne seine vorzügliche Kondition wäre ihm die Flucht nicht bis hierher gelungen.
Oft spielten im Kampf gegen die Mächte der Finsternis auch die körperliche Kraft und Ausdauer eine Rolle. Zamorra fand die Tür der Kapelle abgeschlossen, er kletterte über die Friedhofsmauer. Das Heulen des Höllenhundes erscholl vom Waldrand her.
Etwa in der Mitte des großen Friedhofs stand ein großes Sandsteinkreuz auf einem Sockel. Schwarzgekleidete Frauen und einige alte Männer, etwa dreizehn, vierzehn Personen, waren bei verschiedenen Gräbern beschäftigt.
Sie gossen oder jäteten Unkraut. Eine alte Frau bemerkte Zamorra, der in der hinteren Ecke des Friedhofes an der efeubewachsenen Mauer lehnte. Sie rief die anderen zusammen. Die alten Leute hielten Abstand und starrten Zamorra an.
Wieder heulte der riesige Wolfshund, die Männer und Frauen aus Czerkössy wußten offenbar, was das zu bedeuten hatte. Sie redeten Rumänisch auf Zamorra ein, der nur wenige Brocken verstand, fuchtelten aufgeregt und deuteten in die Richtung der Schloßruine. Sicher wollten sie wissen, ob Zamorra ein Feind der Hexen von Czerkössy und ihrer Herrin Jadwiga Vaszary sei. Und ob der Höllenhund hinter ihm her wäre.
Zamorra nickte. Da bekreuzigten sich die Alten und wichen noch weiter vor ihm zurück. Voller Angst und mit etwas Mitleid musterten sie ihn wie einen Todgeweihten.
Eine alte Frau sagte etwas und wies auf die hochstehende Sonne.
»Nur bei Tag bist du hier sicher«, krächzte sie. Zamorra begriff den Sinn ihrer Worte und Gesten.
Er bedankte sich, die Alten aber suchten ihre Werkzeuge und Gießkannen zusammen, bekreuzigten sich immer wieder und verließen den Friedhof. Zamorra blieb allein zurück. Nach einer kurzen Weile schlenderte er zum eisernen Eingangstor des Friedhofes und schaute den Weg zur Stadt entlang.
Der Friedhof lag etwa einen dreiviertel Kilometer außerhalb von Czerkössy, die alten Männer und Frauen hatten schon einen großen Teil der Strecke zurückgelegt und rannten fast. Niemand würde sich einmischen, Zamorra hatte nur eine Galgenfrist bis Sonnenuntergang.
Auf der anderen Seite des Weges standen Akazien und Büsche. Da war eine Abfallhalde, auf die alte Blumen und Kränze geworfen wurden. Ein kurzes Bellen ertönte, Zamorra hörte ein Hecheln. Er sah zwei rotglühende Augen zwischen den Büschen.
Sie funkelten ihn an. Der mächtige Wolfshund, so groß wie ein ausgewachsener Löwe, strich dort umher. Er knurrte, und es klang, als grolle die Erde selbst. Das dämonische Biest schlich weiter, es umrundete den Friedhof, und von der Rückseite her ertönte sein Geheule.
Ich kriege dich, besagte dieses
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