0112 - Der Mann mit den zwei Gesichtern
die immer wieder die in Schulterhöhe des Chefs schwebende blaßrote Kugel ansehen mußten. Er gab ihnen darüber keine Erklärung ab.
Hastig erhoben sich Nolinow und Alkher. Jeder nahm seinen Platz ein. Vom Schaltpult aus ließen sie die Rampe einfahren und die Schleuse schließen. Die Vorwärmung der Triebwerke begann anzulaufen. Die herrliche Stille in der Space-Jet war vorbei.
Brummen, Dröhnen, Orgeln hob an. Der Haupttransformer setzte mit baßtiefem Orgeln ein. Durch die 1-109 lief ein Zittern.
Die beiden Offiziere hatten jetzt keine Zeit, sich umzudrehen, als sie hinter ihrem Rücken die Schritte des Chef hörten, der die Zentrale verließ. Doch während sie noch die letzten Vorbereitungen zum Start trafen, kehrte Cardif-Rhodan wieder zu ihnen zurück, dieses Mal aber ohne die schwebende, blaßrot leuchtende Kugel.
„Start!" sagte Brazo Alkher gewohnheitsgemäß. Obwohl er auf der IRONDUKE Waffenleitoffizier war, hatte er wie jeder andere in harten Lehrgängen auf der Solaren Raumakademie lernen müssen, Space-Jets, Staatenschiffe und sogar Kreuzer zu fliegen.
Die 1-109 hob weich ab. Um den mehr als dreizehnhundert Meter hohen Turm am Rande des kreisrunden Platzes zog die 1- 109 zwei Kurven. Brazo Alkher ließ seine Space-Jet dabei schwingen: verabschiedendes Winken, ein Brauch, der sich bei der Flotte schnell eingebürgert hatte, der aber nur ausgeführt werden konnte, wenn man keinen Kugelraumer flog.
Die 1-109 stieß zur Energieglocke hoch, die sich in Halbkugelform über die 8000 Kilometer durchmessende Scheibe wölbte, auf der die Zauberwelt Wanderer existierte.
„Da ist der Spalt!" stieß Stana Nolinow überrascht aus.
Alkher zwang im gleichen Moment das Triebwerk auf Maximalleistung. Unter dem Brüllen der Motoren jagte die 1-109 durch den Spalt in den normalen Weltraum hinein.
Kaum hatte das kleine Sternenboot die Grenze passiert, als es auf dem Rundsichtschirm keinen aufklaffenden Spalt mehr zu sehen gab, aber auch von dem Energieschirm selbst war nichts mehr zu entdecken. In ihrer nächsten Nähe sah der sternenarme Weltraum so aus, als ob es hier nicht die rätselhafte Kunstwelt gäbe, die von den Menschen Wanderer getauft worden war.
Ohne ein Wort zu sagen, verließ Cardif-Rhodan abermals die kleine Zentrale.
Er mußte allein sein. Er wollte allein sein. Er wollte jetzt seinen Triumph in vollen Zügen genießen.
Er, der Unsterbliche, hatte es geschafft, und aus den Fängen der Antis zu entkommen, war bei dem Köder, den er in zwanzigfacher Form besaß, kein Kunststück mehr.
Cardif schloß hinter sich die Kabinentür ab.
Er ließ sich im Sessel nieder. Die blaßrot leuchtende Energiezeitfeldkugel schwebte in der Ecke. Cardif konzentrierte sich darauf. Öffne dich, dachte er. Die Kugel schwebte heran, lautlos, blieb über seinem Schoß in zehn Zentimeter Höhe stehen.
Ein Spalt wurde sichtbar. Ein eiförmiger Körper in der Kugel trieb auf den Spalt zu. Ein Zellaktivator verließ sein Schutzgehäuse und fiel in Cardifs Schoß.
Seine Hände griffen danach. Er musterte den Aktivator von allen Seiten. Dieses Stück unterschied sich nur in einem Merkmal von dem Aktivator, den er selbst trug. Hier, über der zwei Zentimeter langen Kerbe, befand sich jener Kontakt, der die automatische Schwingungseinstellung durchführte. ES hatte ihn besonders darauf aufmerksam gemacht, daß Zellaktivatoren nur bedingt übertragbar waren und ihre Funktion womöglich einstellten, wenn es doch versucht werden sollte.
Cardif lachte breit, als er daran dachte.
„Zwanzigmal ewiges Leben, ihr Priester!" höhnte er, und er hatte in diesem Augenblick den Wunsch, ihnen bereits gegenüberzustehen.
Sie hatten für weniger als zwanzig Aktivatoren den Preis zu zahlen, den er ihnen abverlangte! Ewiges Leben war unbezahlbar! „Warum soll ich nicht mit nur einem Aktivator von den Antis alles erzwingen können?" Er schob den eiförmigen Körper wieder durch den Spalt des Zeitfeldes. Automatisch schloß sich die leuchtende Kugel wieder. Als ob sie ein selbständig denkendes Wesen wäre, schwebte sie in die Ecke zurück.
„Geschafft!" rief Thomas Cardif stolz aus.
Nachdem der Patriarch Catepan und die übrigen Händler in stundenlangen Verhören vernommen worden waren, gab es an Bord der IRONDUKE nichts mehr zu tun.
Anfänglich waren die Terraner ziemlich rauh mit den Springern umgegangen. Das konnte man ihnen nicht übelnehmen, denn niemand hatte vergessen, welches Unheil sie im Verein mit den Antis und Thomas
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