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0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste

0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste

Titel: 0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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wissen, wie die Hinterhöfe dieser alten Häuser ineinander verschachtelt waren. In der Ortskenntnis war mir diese Ratte mit Sicherheit über.
    Ich ging zu Phil zurück. Er stand allein und klopfte wütend an seinen Aufschlägen herum. Auch der Junge, der als erster umgefallen war, war verschwunden. Offenbar hatte er seine fünf Sinne wiedererlangt und sich klammheimlich aus dem Staub gemacht.
    »Ich wette, es hat Flecken gegeben«, fluchte Phil.
    »Komm, wir wollen das Mädchen nicht warten lassen.«
    Wir suchten uns den Weg zu dem kleinen Platz. Das Pere Lamese war hell beleuchtet. Eine Anzahl von Leuten, offenbar Einwohner der umliegenden Häuser, saß an den Tischen, bedient von einem Kellner und Mary Angers. Wir setzten uns an einen freien Tisch und winkten dem Mädchen zu. Sie kam zu uns.
    »Hui, Sie haben sich aber fein gemacht. Wollen Sie noch eine halbe Stunde warten? So lange brauche ich, bis ich einigermaßen gleichwertig angezogen bin.«
    »Müssen Sie nicht noch arbeiten?«
    »Nein, Pierre, das ist der Kellner, löst mich ab. Er kann dafür morgen früher aufhören. Wollen Sie noch etwas trinken?«
    »Einen Whisky-Soda für jeden.«
    »Ich lasse es Ihnen durch Pierre bringen. Ich werde mich beeilen.«
    Sie sprach mit dem Kellner. Er brachte uns nach wenigen Minuten die Drinks, aber wir hatten kaum davon getrunken, als Mary Angers noch einmal an unseren Tisch kam. Sie machte ein trauriges Gesicht.
    »Monsieur Ragnier will mich nicht gehen lassen«, sagte sie bedrückt und wütend zugleich. »Er behauptet, es wäre zu viel zu tun.«
    Phil und ich standen wie ein Mann auf.
    »Ist heute mehr zu tun als gewöhnlich?«, fragte ich.
    »Nein«, antwortete sie und stampfte mit dem Fuß auf. »Es ist reine Schikane.«
    Ich fasste ihren Arm. »Kommen Sie!«
    Ich zog sie mit zum Eingang des Cafés.
    Das Pere Lamese war hinter dem Eingang kleiner als auf der Straße. Es bestand aus einer Bartheke mit der üblichen Kaffeemaschine, einem schmalen Gang und vier oder fünf Tischen, an denen ein paar Leute saßen. Hinter der Theke wirkte ein breitschultriger Keeper, und nur an einem Tisch saßen ein paar Männer, die so aussahen, als bildeten sie eine geschlossene Gesellschaft. Zwischen ihnen saß auch dieser Monsieur Ragnier.
    Ich steuerte ihn an, mit dem Mädchen und Phil im Gefolge.
    »Hallo«, sagte ich. »Sprechen Sie Englisch?«
    »Ein wenig«, antwortete er widerwillig und stand auf.
    »Fein, dann braucht nicht gedolmetscht zu werden. Wir haben eine Verabredung mit dieser jungen Dame. Sie werden so nett sein und uns und ihr die Freude nicht verderben. Habe ich langsam genug gesprochen, damit Sie mich verstehen konnten?«
    »Okay, ich habe verstanden«, antwortete er ohne jede Höflichkeit, »aber Mademoiselle Angers ist noch nicht abkömmlich, und ich bestimme den Dienstschluss meiner Angestellten.«
    »Habt ihr hier keinen Achtstundentag?«, fragte Phil aus dem Hintergrund.
    »Mr. Ragnier«, sagte ich friedlich, »Sie können nicht verhindern, dass wir auf Miss Angers warten, bis der letzte Ihrer Kunden seinen Drink bezahlt hat und gegangen ist. Das wird in einer oder zwei Stunden sein. Also machen Sie keine Schwierigkeiten und geben Sie die Dame frei.«
    Einer der Männer am Tisch sagte etwas auf Französisch und stand auf. Ich hatte seine Worte nicht verstanden, aber ich sah Miss Angers’ Gesicht an, dass sie erschrak.
    Ich lächelte. »Falls dieser Gentleman«, ich zeigte auf den Aufgestandenen, 20 »Ihnen vorgeschlagen hat, uns mit Gewalt aus diesem Laden zu räumen, so rate ich Ihnen dringend ab, diesem Vorschlag zu folgen. Ihr Unternehmen könnte sonst erheblichen Schaden erleiden.«
    Er kaute an seinem Schnurrbart, und ich sah, dass er vor Wut kochte. Dann zuckte er die Achsel, sagte: »Meinetwegen«, und setzte sich hin, ohne uns weiter zu beachten.
    »Vielen Dank«, sagte ich höflich.
    Eine halbe Stunde später saßen wir mit dem Mädchen in unserem Citroën, aber wir brauchten eine weitere halbe Stunde, um die letzten Wolken von ihrer Stirn zu vertreiben, die die Szene mit Ragnier hervorgerufen hatte.
    »Ich denke, wir versuchen zunächst einmal unser Glück«, schlug Phil vor.
    »Wo?«, fragte ich.
    »Monte Carlo«, sagte Miss Angers. »Wenn man zum ersten Mal spielt, muss man es dort tun. Es ist klassisch.«
    Wir haben schöne Straßen in Amerika aber ich weiß nicht, ob irgendeine davon so schön ist, wie diese drei Straßen, die sich in drei verschiedenen Höhen die Berge der Küste entlangziehen.

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