0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste
Ihre Dolmetscherdienste.«
Phil stand auf der Straße und schwenkte die Arme. Der Wagen hielt.
Die Insassen waren Engländer, zwei Gentlemen und zwei Damen, alle in großer Garderobe.
»Pech gehabt?«, fragte der Fahrer.
»Ja, können Sie uns mit nach Nizza nehmen?«
»Ziemlich besetzt, mein Auto.«
»Wenn die Dame noch Platz findet, genügt es. Wir zwei sorgen für uns!«
»All right, lassen Sie sie einsteigen.«
Miss Angers kam in den Fond. Phil und ich platzierten uns je auf einem Kotflügel. Da die Beleuchtung des Citroëns noch funktionierte, konnten wir ihn unbesorgt auf der Straße lassen.
Der Engländer war ein Sportsmann und hatte seinen Spaß an der seltsamen Fuhre. Er brachte uns sicher nach Nizza und setzte uns auf der Promenade des Anglais ab. Mit der Hilfe des Mädchens machten wir dem nächsten Polizisten klar, dass auf der Corniche ein Wagen stehe, der abgeschleppt werden müsse.
»Ich denke, jetzt gehen wir erst recht zum Cacadu«, schlug Phil vor. Aber Mary Angers wollte nicht mehr. Der Schreck saß ihr offenbar doch in den Gliedern. Sie bat, wir möchten sie nach Hause bringen. Ein Taxi war rasch aufgetrieben.
Antibes lag still und wie verlassen. Nur wenige Lichter brannten im Hafengebiet. Die Gassen um den Platz, auf dem das Pere Lamese lag, waren menschenleer.
Wir verabschiedeten uns von dem Mädchen.
»Wir werden morgen Nachmittag einen Drink bei Ihnen nehmen«, sagte ich, und sie antwortete: »Fein, ich freue mich.«
Ich ließ ihre Hand los, ging, drehte mich um und sagte: »Seien Sie vorsichtig.«
Ich wusste nicht, ob sie es noch gehört hatte. Die Tür fiel gleich darauf ins Schloss.
»Lass uns irgendwo noch einen Drink nehmen«, schlug Phil vor, als das Taxi uns vor dem Hotel abgesetzt hatte.
In der Bar des Negresco war der Mixer dabei, die Flaschen abzuräumen. Wir schmeichelten ihm zwei Martinis ab.
»Cheerio«, sagte Phil und hob sein Glas. »Auf den Mann, der uns nicht leiden mag.«
»Salute«, antwortete ich. »Und wenn wir ihn fassen, werden wir ihm sagen, dass wir es gar nicht mögen, hässliche Geschäfte mit jungen Mädchen zu machen.«
»In vier Tagen ist die Interpol-Konferenz zu Ende. Bis dahin werden wir es kaum geschafft haben. Als Polizisten haben wir in diesem Land nichts zu suchen.«
»Wir werden sehen. Vier Tage sind eine Menge Zeit, und ich habe nicht die Absicht, diese Zeit mit dem Anhören von Vorträgen zu vergeuden.«
»Ich auch nicht«, bestätigte Phil, und dann bestellten wir noch zwei Martinis.
***
Ich stand früh auf. Phil und ich wollten Evelyn Draw einen Besuch abstatten, und dann wollten wir uns das Stück der Küste ansehen, von dem aus nach unserer Meinung das Motorboot von Surviel gestartet worden war.
Als wir vom Frühstück aufstanden, erschien im Türrahmen des Frühstücksraumes Frederic Colleg, unser vorübergehender Vorgesetzter aus Chicago. Colleg trug trotz der lachenden Sonne am Himmel einen feierlichen dunklen Anzug. Seine Brillengläser blitzten.
»Ah, guten Morgen, Cotton und Decker«, wünschte er scheinheilig. »Ich wollte heute an der Tagung des Mord-Ausschusses teilnehmen. Ich dachte, wir könnten zusammen gehen.« Er blickte auf seine Armbanduhr.
»Müssen wir uns nicht beeilen? Ich fände es unangemessen, wenn ausgerechnet die amerikanischen Delegierten unpünktlich wären.«
Er hatte sich eine Ausdrucksweise angewöhnt, als wäre er der Leiter einer politischen Mission von höchster Wichtigkeit.
Ich kratzte mir den Kopf.
»Hören Sie, Fred«, begann ich. »Phil und ich haben heute eigentlich etwas anderes vor. Es ist von ziemlicher Wichtigkeit, dass wir uns für ein paar Stunden frei bewegen können.«
Seine Brillengläser funkelten.
»Zu welchem Zweck, Cotton?«
Ich hatte keine Lust, diesem Stuhlwärmer auseinanderzusetzen, was wir vermuteten. Er hätte ohnedies nur geantwortet, dass wir unsere Beobachtungen der französischen Polizei melden sollten, und damit fertig.
»Na ja«, druckste ich herum. »Es ist mehr eine persönliche Angelegenheit.«
»Ich verstehe«, trompetete er messerscharf. »Und nun will ich Ihnen mal etwas sagen, Cotton. Es gilt auch für Sie, Decker. Sie sind hier von der Regierung hergeschickt worden. Ihr Aufenthalt wird von Steuergeldern bezahlt, und Sie sind verpflichtet, dafür das Bestmögliche mit nach Hause zu bringen: Erfahrungen, neue Erkenntnisse und neues Wissen! Aber auf kriminalistischem Gebiet, Gentlemen, nicht auf den Gebieten, auf denen Sie sich offensichtlich gerne
Weitere Kostenlose Bücher