0114 - Mädchen, Gangster, blaue Küste
schnurgerade nach Antibes, und weil der MG wendig genug war, riskierten wir es, ihn durch die Gassen bis zu dem kleinen Platz zu zwängen. Es gab eine Differenz mit einem Mann, der eine Apfelsinenkarre schob, aber im Übrigen gelangten wir glatt bis vor das Pere Lamese.
Kein Gast saß an den Tischen im Freien. Wir setzten uns. Nach einigen Minuten erschien die Bedienung, aber es war nicht Mary Angers, sondern eine große schwere Frau mit schwarzen Haaren. Sie verstand kein Wort Englisch.
Phil kramte sein Französisch hervor und palaverte mit ihr.
»Sie sagt, sie wäre seit heute Mittag hier. Sie wüsste nichts von ihrer Vorgängerin.«
»Frage sie, ob Ragnier da ist.«
»Ou est le Chef?«, fragte Phil.
Die Frau zeigte nachlässig mit dem Daumen auf den Eingang.
Ich stand auf. Ich hatte ein übles Gefühl in der Magengrube, und Monsieur Ragnier war mir in diesem Augenblick noch tiefer zuwider als je zuvor.
Er stand hinter der Theke seiner Bar und bediente eigenhändig die Kaffeemaschine. Vier Männer lungerten an den Tischen. Es schienen mir die gleichen Typen zu sein wie gestern Nacht. Offenbar taten sie nie etwas anderes, als hier zu sitzen.
Ich sah genau, dass Ragnier sich auf die Unterlippe biss, als wir hereinkamen, aber er bediente hartnäckig weiter die Maschine und beachtete uns nicht.
»Wo ist Miss Angers?«, fragte ich.
Er antwortete nicht, sondern füllte eine weitere Tasse. Die Tasse war erst halb voll, als sie durch die Gegend flog. Eine Handbewegung von mir hatte dazu genügt. Ragnier bekam einiges von der heißen Brühe auf die Hose und schrie auf: »Monsieur!« Was folgte, war mit Sicherheit ein Fluch oder eine Beleidigung, aber ich verstand sie ja nicht.
»Ich habe dich etwas gefragt, mein Freund«, wiederholte ich. »Du kannst englisch, und ich frage jetzt noch einmal. Ich rate dir, zu antworten. Wo ist Mary Angers?«
Seine Augen waren grün vor Wut, aber er antwortete: »Vermutlich meinen Sie meine Kellnerin, der Sie gestern Abend verliebte Augen machten. Nun, sie ist nicht mehr meine Angestellte, und ich weiß nicht, wo sie sich herumtreibt.«
Er schloss den Mund, als habe er genug gesagt.
»Fahre nur fort mit deiner Geschichte«, verlangte ich. »Ich höre genau zu.«
»Ich habe sie heute Morgen entlassen, verstehen Sie nicht?«, schrie er. »Ich habe sie rausgeschmissen, weil sie meinen Anordnungen nicht gehorcht, sondern mit hergelaufenen Gästen poussiert hat.«
»Weiter, Kleiner!«
»Nichts weiter! Sie hat gepackt und ist gegangen.«
Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich glaubte ihm kein Wort, aber ich wusste nicht, was ich unternehmen sollte. Ragnier merkte meine Ratlosigkeit. Er bekam Oberwasser und sagte höhnisch: »Trauern Sie dem Flittchen nicht nach, Monsieur. Von dieser Sorte finden Sie an jeder Ecke Dutzende.«
Ragnier hatte Mary Angers in drei Minuten dreimal beleidigt und beschimpft. Die letzte Beleidigung ging mir über die Hutschnur. Ich warf die Arme und den Oberkörper vor, packte seine Jackenaufschläge und zog ihn zu mir heran über die Theke. Ein paar Gläser gingen zu Bruch. Er jammerte hoch und schrill wie ein Frauenzimmer.
Vielleicht hätte ich ihn unter die Kaffeemaschine gezerrt und ihm die heiße Brühe über die Nase laufen lassen. Ich 28 war zornig genug dazu, aber ein schwerer Schlag traf mich in den Nacken, und fremde Fäuste zerrten an meinem rechten Arm. Ich musste Ragnier loslassen.
Trotzdem kam ich nicht von der Theke weg. Das schwere Gewicht eines Körpers drückte mich nieder, und der Bursche, der an meinem rechten Arm kurbelte, war auf dem besten Weg, ihn mir aus dem Gelenk zu drehen.
Ragnier, der im ersten Schreck, als ich ihn freigab, bis zur Wand zurückgeprallt war, schaltete schnell, stürzte nach vorn und schlug mir die Faust ins Gesicht. Er grinste teuflisch, und es schien ihm Spaß zu machen. Als er noch einmal zuschlagen wollte, stieß ich die linke, noch freie Faust flach über den Thekentisch vor, traf seinen Magen, und nun machte es mir Spaß zu sehen, wie sein Gesicht sich in eine Grimasse des Schmerzes verwandelte.
Ganz plötzlich hörte der Druck des Körpers, der mich niederhielt, auf, hinter mir polterte es. Ich konnte mich nach rechts drehen, die Bemühungen des Mannes an meinem rechten Arm dadurch ausgleichen und überhaupt erst wieder ins Innere des Cafés blicken.
Phil hatte den Gegner auf meinem Rücken zurückgerissen und ihn zu Boden geschleudert, aber er hatte es teuer bezahlt. Jetzt hatten sie ihn am
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